Big Thunder Mountain Railroad in Disney World in Orlando: Diese Achterbahn war für den Urologen David Wartinger die Teststrecke.

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Am Anfang jeder Erkenntnis steht die Beobachtung – zum Beispiel die des amerikanischen Urologen David Wartinger aus East Lansing im Bundesstaat Michigan. Wie die US-Zeitschrift "Atlantic" berichtet, fiel ihm ein interessanter Zusammenhang auf: Immer nach den Frühlingsferien berichteten ihm seine Nierensteinpatienten von Abgängen.

Zur Erklärung: Jeder zehnte Mensch hat im Laufe seines Lebens einen Nierenstein. Kleinere Nierensteine sind zum größten Teil unproblematisch und werden von selbst ausgespült, nur die größeren machen Probleme, konkret sind sie der Auslöser für extrem schmerzhafte Nierenkoliken.

Urologe Wartinger fragte bei seinen Patienten nach und stellte fest, dass viele derjenigen, die von Nierensteinabgängen berichteten, in der Frühlingsferien Achterbahn gefahren waren. Ein Besuch im Disneyland in Orlando hat im Mittleren Westen zu "Spring Break" Tradition.

Wartinger wollte der Sache nachgehen. Kurzentschlossen nahm er die Niere eines Patienten als Modell, baute sie mit Hilfe eines 3D-Druckers nach. Sein Plan: Sie in Disneyland mit Flüssigkeit zu füllen und auf der berühmten Achterbahn Big Thunder Mountain Railroad, zu beobachten, was passiert.

Die Zentrifugalkräfte

Er holte die zuständigen Erlaubnisse von Disney World ein und hatte Glück, weil der für Besucherangelegenheiten zuständige Manager ebenfalls unter Nierensteinen litt. Dann setzte sich Wartinger in die Achterbahn, positionierte das 3D-Modell auf Nierenhöhe und fuhr insgesamt 60 Mal hintereinander.

Die erste große Entdeckung: Es machte einen Unterschied, ob das Nierenmodell vorne oder hinten in der Achterbahn positioniert war. Hinten wackelt es mehr. Die Folge: Hinten lösten sich in 63 Prozent aller Fahrten Steine, vorne in nur 16 Prozent. Wartinger: "Für Patienten mit kleinen Nierensteinen hat eine Achterbahnfahrt also einen therapeutischen Effekt, könnte man sagen".

Doch so ganz ernst nimmt er sein Testreihe selbst nicht und relativiert diese Aussage. Erstens: Nicht alle Nieren sind so wie sein Testmodell. Zweitens: Achterbahnen sind in ihrer Intensität unterschiedlich. Drittens: Auch Nierensteine unterscheiden sich in ihrer Konsistenz voneinander.

Von Evidenz könne also nicht die Rede sein, man müsste erst echte Menschen mit echten Nierensteinen auf die Strecke schicken und in einer Studie beobachten was passiert – eine Möglichkeit wäre, vor und nach den Achterbahnfahrten eine Ultraschalluntersuchung zu machen. Hoffnung auf Finanzierung so eines Unterfangens mache er sich jedoch wenige, meinte Wartinger und lächelt dabei verschmitzt. Auch in Studien um Evidenz kann man an die Grenzen des Machbaren stoßen. (pok, 28.9.2016)