Rainhard Fendrich veröffentlicht kommende Woche das Album "Schwarzoderweiß". Es ist sein 17. seit 1980. Im Februar und März 2017 geht er auf Tournee. Vorher wählt er Alexander Van der Bellen.

Foto: Heribert Corn

STANDARD: Sie veröffentlichen in der nächsten Woche das Album "Schwarzoderweiß", ein kritisches, politisches Werk. Austropop ist traditionell links, der zurzeit größte heimische Populärmusiker ein Rechter. Was ist da passiert?

Rainhard Fendrich: Ich maße mir nicht an, über Kollegen zu urteilen. Ich bin mir nicht sicher, ob der so rechts ist. Aber ich muss gestehen, ich habe keinen Zugang zu seinem Werk. Es ist eine Form von Gaudi-Unterhaltung, die mit der Politikverdrossenheit aufblüht. Aber ich respektiere jemanden, der 72.000 Besucher im Münchner Olympiastadion stemmt.

STANDARD: Das Publikum hat sich früher Wolfgang Ambros oder Sie angehört, um dem Nachkriegsmief zu entkommen oder Ihrem goschertem Schmäh zu lauschen. Gabalier beschwört patriotische Gemeinplätze und eine heile Welt, die es nicht gibt.

Fendrich: Es ist Gaudimusik. Ich verstehe nur nicht, dass gerade in der Musik dieser Zeitgeist verlorengeht. Im Theater gibt es ihn noch. In der Malerei ...

STANDARD: Das sind für die Masse Elfenbeintürme ...

Fendrich: Aber Kunst muss etwas Herausragendes machen. Es muss nicht immer gut sein, ich erhebe nur meine Stimme. Ich maße mir nicht an, immer recht zu haben, aber ich möchte zumindest eine Diskussion anregen. Dabei schau ich nicht nach links oder rechts.

STANDARD: Kann man sich Haltung heute nicht mehr leisten?

Fendrich: Unterhaltung kommt von Haltung. Ich schreibe noch immer Lieder, die nicht unbedingt in Radioformate passen. Aber es hat halt jeder sein eigenes Schicksal. Ich war im Internat, dort bin ich rausgeflogen, dann bei den Eltern – wie es in den 1960er- und 1970er-Jahren halt so war. Man protestierte gegen den Vietnamkrieg, später gab es die Friedensbewegung. Aber vielleicht hat es damit zu tun: Je näher Probleme an ein Volk heranrücken, desto weniger will es etwas damit zu tun haben. Der Vietnamkrieg war damals ein Thema, aber er war weit weg.

STANDARD: Im ersten Lied des neuen Albums singen Sie, dass Sie lieber eine echte Watschen kassieren, als den abstrakten Zuspruch des digitalen Lebens. Flüchten zu viele Menschen in diese Scheinrealität?

Fendrich: Mir fällt auf, dass viele sich per Posting mehr trauen. Das geht oft ins Tourette, da wird kein Stil mehr gewahrt. Menschen kotzen in der Anonymität ihre ganze Niedertracht. Das verunsichert mich. Das gab's zwar immer, aber jetzt haben sie eine Plattform. Das Nicht-mehr-miteinander-reden ist auch in der Politik ein Problem. Man denkt nur noch in Legislaturperioden, nicht mehr in Menschenleben. Die Angstmache, die in Österreich betrieben wird, finde ich vollkommen unbegründet. Die einzige Angst, die ich habe, ist, dass dieses Land in Europa wieder so dasteht wie unter der blau-schwarzen Regierung. Dazu sind wir aber zu klein, um uns das erlauben zu können.

STANDARD: Ist es nicht so, dass die FPÖ für ihre Klientel nur die Unterschiede hervorhebt und so versucht, vergessen zu machen, dass sich die Menschen bei uns dennoch auf Basis eines breiten Konsens begegnen?

Fendrich: Das liegt am Populismus der FPÖ, der ziemlich radikal ist. Wir haben gerade vorher geschaut, da hat ein Fan das Video von "Schwarzoderweiß" auf die Hofer-Facebook-Seite gestellt. Das wurde sofort gelöscht und der Name gesperrt. So sind die. Populismus, das ist wie eine Käsekrainer. Die muss gschmackig sein, aber es interessiert niemanden, was eigentlich drinnen ist.

STANDARD: Man will es gar nicht wissen.

Fendrich: Genau. Vielleicht gibt es ein Körnchen Wahrheit, aber das meiste ist frei erfunden.

Rainhard Fendrich

STANDARD: Sie haben mit "I am from Austria" ein sehr strapazfähiges Lied geschrieben, das in der Käsewerbung bis hin zum FPÖ-Wahlkampf Einsatz findet, die sich in Oberösterreich bei dem Lied bedient hat. Sie haben dagegen protestiert, wie ist das ausgegangen?

Fendrich: Da kann man nichts dagegen machen. Ich habe Klagen angedacht, aber es bringt nix. Ich kann mich nur mit einem Statement dagegen verwehren.

STANDARD: Bereuen Sie das Lied?

Fendrich: Überhaupt nicht, es ist ja ein österreichkritisches Lied.

STANDARD: Das kapieren aber die wenigsten.

Fendrich: Leider. Ich aber weiß, warum ich es geschrieben habe. Das war, als wir in der ganzen Welt als Nazis dagestanden sind, weil wir einen Bundespräsidenten hatten, der bei der SA war. Ganz einfach. "I kenn die Leit', I kenn di Ratten, die Dummheit, die zum Himmel schreit." Es wundert mich, wenn es so sinnentleert verwendet wird.

STANDARD: Was kann man gegen die Dummheit tun?

Fendrich: Lernen, neugierig bleiben. Es ist schon anmaßend von mir, wenn ich sage, die Leit san dumm, aber ich habe kein anderes Wort gefunden. Es gibt Menschen, die wollen nichts wissen. Es gibt viele Dinge, die ich auch nicht begreife, aber man kann nicht nur in Schwarz oder Weiß denken, so als gebe es nix dazwischen. Das meine ich mit Dummheit.

STANDARD: Wen werden Sie bei der Bundespräsidenten-Stichwahl wählen?

Fendrich: Den Van der Bellen. Er ist die einzige Möglichkeit, die es für mich und Österreich gibt. Wir sind ja ein Land, das als Kulturnation dasteht und bekannt ist für seine Gastfreundschaft. Wir können es uns nicht leisten, uns selber ins rechte Eck zu stellen. Es wäre desaströs für das Ansehen unseres Landes, wenn die Unentschlossenen sich einer populistischen Propaganda ergeben würden. Es geht um das Zünglein an der Waage. Nicht wählen gehen, wäre das Allerschlimmste.

Rainhard Fendrich

STANDARD: Im Titellied "Schwarzoderweiß" singen Sie, dass alle Menschen zum selben Gott beten würden. Kann man Religionen überhaupt noch empfehlen?

Fendrich: Ich verwehre mich nur dagegen, dass wir den Jihad benutzen, um Kriege zu führen. Das ist falsch. Der Jihad ist der Kampf mit sich selber und Gott. Die Suren und die Verse von Mohammed verbieten, mit Feuer zu kämpfen und gegen ein Land zu kämpfen, in dem Muslime ihren Glauben ausleben dürfen. Nehmen wir die Paris-Attentäter: Das waren Muslime, aber keine praktizierenden. Man kann auch die Bibel so zusammenstoppeln, dass sich alles rechtfertigen lässt. Aber eine Religion unter Generalverdacht zu stellen, finde ich sehr bedenklich.

STANDARD: Themenschwenk: Es gibt eine neue Generation von Bands und Musikern, die mit dem Label Austropop beschrieben werden. Empfinden Sie da so etwas wie Genugtuung?

Fendrich: Ich bin sehr mit meiner eigenen Arbeit beschäftigt, aber ich kenne Wanda oder Bilderbuch und finde es toll, dass es die gibt.

STANDARD: Finden Sie sich bei den neuen Liedermachern irgendwo wieder? Bei Ernst Molden, dem Nino aus Wien ...

Fendrich: Wenn sich jemand wiederfinden muss, dann ein Junger, nicht ein Alter. Ich bin meinen Weg gegangen, und diese Namen, ehrlich gesagt, die sagen mir nichts.

STANDARD: Sie sind jetzt schon ein bisserl im My-Way-Alter. Neigen Sie zur Nostalgie?

Fendrich: Nostalgie ist für jemanden, der den Motor abgestellt hat und ausläuft. Dazu bin ich noch viel zu neugierig. Ich habe gar keine Zeit für Nostalgie.

STANDARD: Wenn Sie an Ihr Image denken: Haben Sie zu viel Ihres Privatlebens öffentlich gemacht und damit den Blick auf den Künstler verstellt?

Fendrich: Ja. Ich bin in viele Fettnäpfchen getreten und habe viele Köder geschluckt, aber das ist vorbei. Mein Privatleben ist jetzt tatsächlich privat.

STANDARD: Was viele bis heute wundert, ist die Metapher vom Herzen als Bergwerk. Da denkt man doch an etwas Stickiges, Dreckiges.

Fendrich: Das hat schon den André Heller beschäftigt. Ich sehe das Bergwerk nicht aus der Perspektive des Grubenarbeiters, sondern aus der des Besitzers. Etwas, das man von außen nicht sieht, aber innen Schätze beherbergt. (Karl Fluch, 1.10.2016)