Netflix-Dokumentation "Audrey & Daisy" über zwei jugendliche Vergewaltigungsopfer und ihre weitere Demütigung im Netz. Im Bild: Daisy Coleman.

Foto: Netflix

Wien – Ein Prozess wie jener gegen den Grazer Amokfahrer wäre in den USA längst Basis für eine TV-Serie. Nach Erfolgen wie The Jinx über den New Yorker Immobilienerben Robert Durst, zwei Staffeln des Podcasts Serial oder Netflix' Making A Murderer über den 18 Jahre unschuldig inhaftierten Steve Avery lässt das Interesse am "wahren Verbrechen" nicht nach.

Kennzeichen: Der Fall sollte a) möglichst prominent, b) ungelöst oder c) irgendwie sonst umstritten sein, im besten Fall alles zusammen. Drei Trefferquoten weist etwa der seit Freitag auf Netflix abrufbare Dokumentarfilm über die mehrfach verurteilte und schließlich freigesprochene Amanda Knox auf, der STANDARD berichtete.

In diesem Fahrwasser schwimmt Audrie & Daisy, ebenfalls Netflix, über zwei jugendliche Vergewaltigungsopfer und den Umgang der Web-Gesellschaft mit dem Verbrechen: Von beiden wurden Fotos ins Internet gestellt, die sie weiter demütigten. Eines der Mädchen, Audrie, nahm sich daraufhin das Leben, Daisy erzählt die Geschichte.

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Mehr davon ist bei vielen Sendern in der Pipeline:

  • Ramsey Case Die Entführung und Ermordung der sechsjährigen Schönheitskönigin JonBenét Patricia Ramsey rollt CBS neu auf. Der Fall, bei dem lange Zeit die Familie des Opfers verdächtigt wurde, gilt als einer der rätselhaftesten ungeklärten Verbrechen der letzten zwanzig Jahre.

  • Denise Brown NBC verfilmt die Geschichte von Nicole Brown Simpsons Schwester Denise rund um den O.-J.-Simpson-Prozess.

  • Lyle und Eric Menendez Das Geschwisterpaar, das seine Eltern ermordete, wird für Law & Order neu aufbereitet. Für NBC der erste Fall einen neuen True-Crime-Ableger der Langzeitserie.

  • Alias Grace Margaret Atwoods Roman aus dem Jahr 1996 über die Hausangestellte Grace Marks – 1843 beschuldigt, ihren Herrn und dessen Haushälter ermordet zu haben – will Netflix in sechs Folgen zeigen.

  • Amy Biehl 1993 wird Amy Biehl, 26 Jahre alte Fulbright-Stipendiatin in Südafrika, Opfer von Gewaltexzessen im zerbröckelnden Apartheid-Regime. Justin van der Leuns Reportage schlägt derzeit hohe Wellen, bis dato noch in Buchform. Für Beobachter ist es höchstens eine Frage der Zeit, bis sich der erste Sender darauf stürzt.

Hierzulande versucht sich der ORF ein wenig anders an True Crime: Für 2017 verspricht er acht Folgen von Fokus Mord. Reale Verbrechen werden hier neu erzählt und von Experten eingeordnet. Die Qualität der US-Vorbilder wird offenbar nicht angepeilt: Die Fälle sind gelöst und werden teils von Laienschauspielern dargestellt. (Doris Priesching, 1.10.2016)