Eine Delegation des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags besucht am Mittwoch die türkische Militärbasis Incirlik.

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Am Dienstag sprachen die Mitglieder der Delegation in der deutschen Botschaft in Ankara mit Journalisten. Von links nach rechts: Alexander Neu, Rainer Arnold, Ingo Gädechens, Karl Lamers, Florian Hahn, Karl-Heinz Brunner und Agnieszka Brugger.

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Nach monatelanger Blockade durch die türkische Führung sind Karl Lamers und seine Kollegen im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags endlich an Bord. Am Mittwochmorgen bestiegen sie in Ankara eine Maschine zum Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Süden des Landes. Die 250 Bundeswehrsoldaten wollen sie besuchen, die dort Dienst tun. "Wir haben eine Parlamentsarmee, für uns ist das selbstverständlich", sagte der deutsche Delegationsleiter Lamers von der CDU vor dem Abflug. Für türkische Regierungspolitiker ist es eine "Show". Medien sind deshalb nicht zugelassen. Aus Sicherheitsgründen, heißt es offiziell.

Truppenbesuche sind Voraussetzung für eine Verlängerung des Mandats durch den Bundestag, so macht die deutsche Delegation in Ankara gleichwohl klar. Später im Herbst steht die Entscheidung darüber an. Lamers gibt sich vor dem Abflug zuversichtlich: "Ich habe den Eindruck, dass das nicht eine einmalige Sache wird, sondern dass jetzt wieder Routine und Normalität auch in diesem Punkt eintreten können."

Angespannte Beziehungen

Denn in den Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei rumpelt es seit dem Frühjahr gewaltig: Armenier-Resolution des Bundestags, Rauswurf und Einreiseverbot für deutsche Journalisten, Rücktritt des deutschen EU-Botschafters in Ankara nach einer scherzhaften Bemerkung, Putsch und Kritik an den massiven Säuberungswellen, dann natürlich das Erdoğan-Schmähgedicht von Jan Böhmermann. Dass die Mainzer Staatsanwaltschaft nun die Ermittlungen wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts einstellte, macht die Dinge nicht leichter. Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan verlangt Genugtuung.

Ganze zwei Stunden konferierte die sechsköpfige Delegation am Vortag im Parlament in Ankara mit den Mitgliedern des türkischen Verteidigungsausschusses – 15 Politiker von Erdoğans konservativ-islamischer Regierungspartei AKP und 15 Abgeordnete der Opposition von Sozialdemokraten, Kurdenpartei und Rechtsnationalisten. Danach verkündete Lamers ein "ganz konkretes Ergebnis": Der nun geknüpfte Gesprächsfaden werde fortgesetzt, der türkische Ausschuss wird nach Berlin eingeladen. Ist das viel? Oder viel zu wenig?

Mit rheinischem Frohmut rollt Lamers über das Feld der deutsch-türkischen Streitereien. Die Feststellung des türkischen Ausschussvorsitzenden Yusuf Beyazit von der AKP zitiert er: "Wir sind Verbündete, wir sind Partner, und wir sind Freunde." Genau so sei sei die politische Runde in Ankara vor dem Flug nach Incirlik auch verlaufen, berichtet Lamers – "ein Gespräch unter Freunden".

Vielzahl an Themen

Gesprochen wurde nicht nur über den gemeinsamen Einsatz der Nato-Verbündeten gegen den "Islamischen Staat" (IS) in Syrien. Um die Armenier-Resolution ging es auch, um die Visa-Liberalisierung, den Putsch vom 15. Juli und die mangelnde Solidarität der Europäer, die parteiübergreifend von allen Türken beklagt wird. "Wir schauen jetzt, wie dieser Putsch aufgearbeitet wird", sagt Lamers, und: "Wir sind überzeugt, dass dies im Rahmen des Rechtsstaats geschieht." Dann lässt Lamers aber doch seinen SPD-Kollegen Rainer Arnold den Eindruck korrigieren, die deutsche Bundestagsdelegation fände Massenverhaftungen und das Regieren mit Dekreten im weiter geltenden Ausnahmezustand vollkommen in Ordnung.

Die Türkei müsse diesen Weg korrigieren, sagte Arnold. Vor wie nach dem Putsch habe man in Deutschland die Wahrnehmung gehabt, dass die Türkei gemeinsame Werte in Europa und in der Nato wie die Wahrung der Pressefreiheit oder den Umgang mit politisch Andersdenkenden verletze. Die Regierung spalte mehr ihre Gesellschaft, als dass sie die Demokraten zusammenhalte, erklärte der SPD-Politiker. Diese Spaltungen machen sich auch in der türkischen Gemeinde in Deutschland bemerkbar.

Deutlichere Kritik kam noch vom Delegationsmitglied der Linken. Es könne nicht sein, dass trotz der Mitgliedschaft im gemeinsamen Bündnis und des EU-Türkei-Deals ein politischer Partner "mit Samthandschuhen angefasst wird, wenn dieser Partner gewisse politische Grundwerte in Europa mit den Füßen tritt", sagte Alexander Neu.

In Incirlik beteiligt sich die deutsche Bundeswehr am Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien. Mit sechs Tornado-Maschinen beobachtet sie Bewegungen des IS. Sie unterstützt dazu durch Betanken in der Luft die Einsätze der anderen Verbündeten, in erster Linie der USA. Der Verteidigungsausschuss will sich auf der Luftwaffenbasis ein Bild über Verbesserungen bei der Unterbringung der Bundeswehrsoldaten machen und über weitere geplante Investitionen. (Markus Bernath aus Ankara, 5.10.2016)