Christine Nöstlinger, Katharina Sieg:
Jeden Morgen um 10
Nilpferd-Verlag
32 Seiten, 14,99 Euro
ab 4 Jahren

Neben zahlreichen Neuausgaben von älteren Werken Christine Nöstlingers, die im Vorfeld ihres achtzigsten Geburtstags am Donnerstag erschienen sind, gibt es auch eine Neuerscheinung. Das bei Nilpferd herausgebrachte Bilderbuch "Jeden Morgen um 10" richtet sich an "die gaunz klanen Leit", nämlich an Kinder ab vier Jahren. Es braucht also in den meisten Fällen die Eltern, Erziehungsberechtigte, ältere Geschwister oder Freunde, um diese Geschichte kleineren Kindern nahezubringen. Eine Lektüre, die Menschen versammelt – das ist eine sehr würdige Idee zum runden Geburtstag von Österreichs großer Kinderbuchautorin.

Der Text zu "Jeden Morgen um 10" stammt von Nöstlinger, die kubistisch-farbenfrohen Bilder von der Zeichnerin Katharina Sieg. Entstanden ist ein wunderbar illustriertes und weises Kinderbuch, mit einer kleinen Geschichte über Lüge und Wahrheit und den Wert des Erzählens.

Ein Hund ohne Herrl

"Lügen richten Schaden an, Geschichten machen Freude", ist Hund Max darin überzeugt. Er muss es wissen: Ist er doch selbst ein großer Geschichtenerzähler vor dem Herrn (Herrl hat er natürlich keines). Im Wienerischen könnte man diesen Hund vielleicht einen "Gschichtldrucker" nennen – ein Begriff, der die Nähe von Lügen und Geschichten schon illustriert. Hund Max jedenfalls besteigt jeden Morgen um zehn Uhr eine Fähre und stellt über zur Insel Palau. Dort platziert er sich schnurstracks im Schatten einer Kirche. Weil er das jeden Tag tut, fragen sich die Menschen auf Palau irgendwann, was diesen Hund mit seiner seltsamen Routine eigentlich antreibt.

Auf Nachfrage tischt Max den Menschen unterschiedliche Geschichten auf, die von verliebten Katzen handeln, vor denen er Reißaus nimmt; von Polizisten, die hinter ihm her sind (weil er einem bissigen Köter zum Verwechseln ähnlich sieht!), von einem verloren gegangenen Vater, der bald zurückkehren muss. Jeder, der Max fragt, ist sich sicher, als Einziger die "wirkliche Wahrheit" über Max zu kennen. Letzten Endes ist es das kleine Mädchen Gina, die dahinterkommt, warum es Max täglich nach Palau treibt. (Lisa Mayr, 13.10.2016)