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Ein blondes Mädchen blickt durch ein Neandertaler-Schädelfragment. Die DNA unserer ausgestorbenen Verwandten dürfte beim etwas schwächeren Immunsystem der Europäer durchschlagen.

Reuters

Montreal/Paris/Wien – Die ersten Vertreter des Homo sapiens, die vor rund 50.000 Jahren nach Europa kamen, waren vermutlich dunkelhäutig. Die helle Haut und einige Spezifika der Haare dürften die heutigen Europäer von den Neandertalern geerbt haben, mit denen unsere direkten Vorfahren immer wieder Sex hatten. Deshalb sind auch 1,5 bis vier Prozent unserer DNA von den Neandertalern, während sich in der DNA der heute lebenden Afrikaner keine Spuren unserer ausgestorbenen Verwandten mehr finden.

Bestimmte Gene der Neandertaler dürften den Vorfahren der Europäer einen Überlebensvorteil in den kalten Regionen der Nordhalbkugel verschafft haben. Doch in jüngster Zeit häuften sich Studien, die eher negative Auswirkungen dieses Erbes herausstrichen: Die größere Anfälligkeit der Europäer für Herz-Kreislauf-Defekte, aber auch für Depressionen oder die Nikotinsucht geht allem Anschein nach auf unsere nächsten Verwandten zurück.

Unterschiedliche Immunantworten

Schon länger ist der Medizin bekannt, dass sich Afrikaner und Europäer in ihren Immunsystemen unterscheiden. Afrikaner sind weniger anfällig für Infektionen, dafür haben sie aufgrund ihrer stärkeren Immunantworten ein höheres Risiko für Autoimmunerkrankungen. Lupus etwa ist bei afroamerikanischen Frauen dreimal häufiger als bei hellhäutigen Amerikanerinnen.

Gleich zwei Studien im Fachblatt "Cell" legen nun nahe, dass diese Unterschiede ebenfalls auf die Neandertaler zurückgehen: Luis Barreiro (Uni Montreal) hat mit Kollegen Blutproben von 80 Afroamerikanern und 95 Amerikanern europäischen Ursprungs verglichen und sich dabei auf die Makrophagen konzentriert, also die Fresszellen, die über eindringende Bakterien herfallen.

Früher von Vorteil

Die Makrophagen der Afrikaner töteten die Bakterien dreimal schneller. Entsprechende Unterschiede fanden sich auch in der Genexpression, die darauf hindeuteten, dass das genetische Erbe der Neandertaler daran schuld ist. Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kam Lluis Quintana-Murci (CNRS Paris) im Hinblick auf Monozyten, die Vorläufer vieler Immunzellen.

Allem Anschein nach haben die frühen Europäer Varianten der Genregulatoren von den Neandertalern übernommen, was damals vorteilhaft war – heute aber eher von Nachteil ist. Quintana-Murci hatte freilich erst im Jänner eine Studie veröffentlicht, in der er auch einen positiven Einfluss der Neandertaler auf das Immunsystem feststellte, konkret: auf die angeborenen Immungene der Familie der Toll-Like Rezeptoren. (tasch, 21.10.2016)