Erstautor Tobias Eisenberg (links) und Frank Madeo haben mit internationalen Kollegen herausgefunden, dass Spermidin Mäuseherzen gut tut. Die Substanz kommt nicht nur in Samenflüssigkeit in höherer Konzentration vor, sondern auch in Grapefruits (siehe Foto) und anderen Zitrusfrüchten, aber auch in Pilzen oder Hülsenfrüchten.

Uni Graz

Graz/Wien – In nicht einmal einem Monat wird der japanische Forscher Yoshinori Osumi in Stockholm den diesjährigen Medizinnobelpreis in Empfang nehmen. Osumi hat die molekularen Mechanismen der sogenannten Autophagie entschlüsselt, eines zellulären "Reinigungsprozesses", der fehlerhafte Zellbestandteile abbaut. Ohne diese "Müllabfuhr" würden Zellen nicht reibungslos funktionieren können.

Einer der führenden Autophagie-Experten in Österreich ist Frank Madeo von der Uni Graz. Er forscht seit vielen Jahren daran, wie dieses "Sich-selbst-Fressen" der Zellen angeregt werden kann. Eine Maßnahme scheint das Fasten zu sein. Doch nicht nur in Hungerperioden, auch durch bestimmte Substanzen dürfte der verjüngende Reinigungsprozess angeregt werden. Eine der besonders vielversprechenden Substanzen ist dabei Spermidin, das in hoher Konzentration in Samenflüssigkeit, aber auch in vielen Lebensmitteln wie Hülsenfrüchten, Obst (besonders Zitrusfrüchten), Sojabohnen, Pilzen und Nüssen vorkommt.

Lebensverlängernde Wirkung

So konnte das Team um Madeo bereits zeigen, dass Spermidin, das chemisch betrachtet ein Polyamin ist, die Lebensdauer in Organismen wie Hefe, Fruchtfliegen und Fadenwürmern verlängern kann. In den letzten Arbeiten hat das Team um Madeo gemeinsam mit internationalen Kollegen herausgefunden, dass Spermidin die mittlere Lebensdauer von Mäusen verlängern kann.

In ihrer jüngsten Arbeit, die im Fachblatt "Nature Medicine" erschien, haben die Wissenschafter nun untersucht, wie die Wundersubstanz genau wirkt. Bei den neuen Experimenten zeigte sich, dass ältere Mäuse, denen Spermidin im Trinkwasser verabreicht worden war, über eine vergleichsweise bessere Herzfunktion verfügten. Madeo und Kollegen gingen davon aus, dass der Wirkstoff das Herz schützt, indem er die Autophagie aktiviert.

Zur Überprüfung dieser Hypothese arbeiteten die Forscher rund um Erstautor Tobias Eisenberg auch mit Nagetieren, die einen genetischen Defekt hatten, der die Autophagie in Herzzellen verhinderte. Tatsächlich profitierten diese Mäuse durch die Spermidin-Gabe nicht. Bei Ratten hingegen, die aufgrund einer salzreichen Diät erhöhten Blutdruck aufwiesen, führte Spermidin zur Senkung ihres Blutdrucks und zu einer Verbesserung ihrer Herzfunktion. Konkret konnte sich bei den Versuchstieren der Herzmuskel zwischen den Schlägen besser entspannen und sich daher wieder mit mehr Blut füllen.

Beobachtungen bei Menschen

Schließlich versuchten die Wissenschafter auch noch, die Wirkung von Spermidin beim Menschen zumindest sehr indirekt zu überprüfen: 800 Testpersonen in Südtirol mussten auf einem Fragebogen angeben, wie oft sie bestimmte Nahrungsmittel aßen. Die Antworten ließen laut den Forschern den Schluss zu, dass eine erhöhte Zufuhr von Spermidin mit weniger kardiovaskulären Problemen verbunden ist. Das soll nun in kontrollierten klinischen Studien getestet werden. (tasch, 14.11.2016)