Gestein aus dem wohl berühmtesten Einschlagskrater der Welt.

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Insgesamt wurden bislang über 300 Bohrkerne entnommen.

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Wien – Der Asteroid, der vor knapp 66 Millionen Jahren zum Aussterben der großen Dinosaurier und zahlreicher anderer Tierarten führte, hat beim Einschlag regelrecht Berge versetzt. In wenigen Minuten wurden riesige Gesteinsmassen insgesamt über 30 Kilometer weit bewegt, berichtet ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung über Ergebnisse der ersten Bohrung im Chicxulub-Krater im Fachjournal "Science".

Bisher wurde der rund 200 Kilometer große Einschlagskrater vorwiegend mit geophysikalischen Methoden untersucht. Der Grund dafür ist, dass sich der größte Teil der Struktur unter Hunderten Metern Meeresablagerungen im Golf von Mexiko befindet. Im Frühjahr dieses Jahres hat ein Wissenschafterteam aus zwölf Ländern erstmals Bohrungen im Golf von Mexiko durchgeführt. Aus Österreich sind der Impaktforscher Christian Köberl, Generaldirektor des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien, und Ludovic Ferriere, Meteoritenforscher am NHM und Mitautor der "Science"-Publikation, an dem Projekt beteiligt.

Probenentnahme

In einer Tiefe von 506 bis 1.335 Meter unter dem Meeresboden wurden mehr als 300 Bohrkerne mit einer Gesamtlänge von 835 Metern entnommen. Aus den Bohrkernen wurden mehr als 11.000 Proben gewonnen, 373 davon werden am Naturhistorischen Museum Wien und an der Universität Wien untersucht.

Erstmals wurden bei der Bohrung Proben aus dem sogenannten "Peak Ring" eines Einschlagkraters entnommen. Dabei handelt es sich um spezielle Strukturen aus schroffen Bergen im Zentrum des Hauptkraters. Man kennt solche "Peaks" aus der Werbung, wenn in Zeitlupe ein Tropfen in eine Flüssigkeit fällt und einen "Krater" formt, in dessen Zentrum noch eine Spitze emporschießt. In der Realität kann diese Spitze auch ringförmig ausgebildet sein.

Chicxulub ist der einzige bekannte Krater auf der Erde mit einem intakten "Peak Ring". Solche Strukturen sind aber auch von vielen anderen großen Einschlagskratern am Mond, der Venus und Merkur bekannt. Bisher war nicht klar, wie genau solche Ringe entstanden sind.

Erste Aufschlüsse

Erste Untersuchungen von Proben aus den Bohrkernen in Kombination mit geophysikalischen Daten und Computermodellen zeigen nun, wie sich dieser rund 80 Kilometer große "Peak-Ring" im Zentrum des Chicxulub-Kraters geformt hat. Die Struktur besteht großteils aus geschocktem Granit, der im Zuge des Einschlags aus mehr als zehn Kilometer Tiefe zur damaligen Oberfläche befördert wurde, sagt Ferriere.

Den Modellen zufolge hat der Meteorit die Erde mit solcher Wucht getroffen, dass er riesige Granitblöcke in zehn Kilometern Tiefe noch weiter in den Untergrund und dann nach Außen gedrückt hat. Dann bewegte sich das Gestein wieder in Richtung Zentrum des Einschlags und schließlich zur Oberfläche, wo es den "Peak-Ring" formte. "In Summe legten die Gesteinsblöcke binnen weniger Minuten eine Strecke von rund 30 Kilometern zurück, sagte Ferriere.

Der Einschlag verursachte aber nicht nur gewaltige Gesteinsbewegungen, durch die hohe Energie wurde auch der Granit in einer besonderen, von den Wissenschaftern nicht erwarteten Form verändert. "Es sieht nach wie vor wie Granit aus, aber das Gestein wurde extrem geschockt, dadurch poröser und viel weniger dicht", so der Geologe. Während Granit üblicherweise eine Dichte von 2,7 Gramm pro Kubikzentimeter hat, haben die Bohrproben nur 2,2 bis 2,4 Gramm pro Kubikzentimeter.

Weitergedacht

Dieser Befund könnte auch neue Hinweise auf die Entstehung des Lebens auf der Erde liefern. Schließlich war die Erde in ihrer Frühzeit einem massiven Bombardement ausgesetzt. Wenn dabei Gesteine mit ähnlichen Eigenschaften gebildet wurden, könnten solche porösen Steine, durchströmt vom im Erdinneren aufgewärmten und mit Nährstoffen angereicherten Wasser, geeignete Lebensräume für die ersten einfachen Organismen gewesen sein. (APA, red, 17. 11. 2016)