Das Wetterphänomen El Niño verringert das Nahrungsangebot der Galápagos-Pinguine, was sich auf deren Brutverhalten auswirkt.

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Die außerordentliche und einmalige Flora und Fauna der Inselgruppe im Pazifischen Ozean gehören zum Weltnaturerbe der Unesco.

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Keine Scheu vor Menschen: Ein Seehund macht ein Nickerchen auf einer Parkbank.

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Die berühmten Echsen

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Blaufußtölpel

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Die Schildkröten wären auf Galápagos beinahe ausgestorben.

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Stille. Nur ein paar Tölpel und Fregattvögel ziehen über uns hinweg. Schon um acht Uhr morgens ist es schwül und heiß. Bald wird die Äquatorsonne erbarmungslos vom Himmel brennen. Das Kreuzfahrtschiff Silver Galapagos hat Anker in der Caldera von Genovesa geworfen. Wie ein zierliches Spielzeug schwebt das Schiff auf dem smaragdgrünen Wasser. Die Vulkaninsel liegt im Norden von Galápagos und gehört zu den 13 Hauptinseln des Pazifikarchipels – knapp 1.000 Kilometer westlich vor der Küste Ecuadors gelegen.

Plötzlich Unruhe. Start zur ersten Expedition, wie die täglichen Ausflüge in den robusten Schlauchbooten heißen. Wie Hühner auf der Stange drängen sich die Gäste auf den Gummiwülsten. Der Mann am Steuer dreht die Außenborder auf. Ein dünner Schleier aus warmem Meerwasser überzieht die Passagiere. Auf der Insel angekommen, stößt man auf die größte Rotfußtölpelei der Welt – an die 120.000 Vögel nisten hier.

Gefährdete Tierarten

Die Tölpel haben es Yvonne Mortola angetan. Die Ecuadorianerin ist Naturforscherin und Wissenschaftsguide, sie ist fasziniert von der Vogelwelt auf Genovesa: "Die Vögel haben überhaupt keine Angst, weil sie keine natürlichen Feinde haben." Das erstaunlichste Merkmal der Galápagos-Tiere bleibt ihre außerordentliche Gelassenheit gegenüber den Menschen. Deren Ankunft wurde einigen zum Verhängnis.

Ohne Pardon wurde vor allem die Galápagos-Schildkröte gejagt und als "lebender" Proviant auf die Schiffe der Freibeuter und Walfänger gebracht. Mittlerweile gehört die Elefantenschildkröte zu den gefährdeten Tierarten: Einst gab es auf Galápagos 200.000 Tiere, heute beträgt die Population gerade noch 20.000. Doch was immer wieder verblüfft: Viele Tiere wurden vom Menschen verfolgt und verletzt, und dennoch haben sie keine gesunde Furcht vor ihm gelernt.

Die Spur des Menschen

2015 waren es 224.000 Touristen, die sich das ebenso exklusive wie teure Vergnügen leisteten, mit Kreuzfahrtschiffen diese abgeschiedene Welt zu besuchen. Tendenz steigend. Was bedeutet das für die Tierwelt? "Häufig sind es Parasiten und Keime oder invasive Arten der Fauna und Flora, die durch Balastwasser in Schiffen oder im Gepäck durch Touristen eingeschleppt wurden", sagt Axel Krumsiek, Meeresschutzexperte beim World Wide Fund For Nature Deutschland, zuständig auch für Galápagos. Das sei ein grassierendes Problem. Er verweist auf den Mangrovenfinken: "In dessen Nestern hat sich eine eingeschleppte Fliege breitgemacht. Ihre Larven saugen Blut aus den Jungvögeln" – mit der Folge, dass es zu Missbildungen und einer hohen Mortalität kommt. Der Mangrovenfink ist vom Aussterben bedroht.

Auch deshalb hat die Nationalparkbehörde die Anforderungen für das Betreten der Inseln erheblich verschärft. 97 Prozent der Landfläche und 99 Prozent der sie umgebenden Gewässer sind Teil des Galápagos-Nationalparks und stehen unter Naturschutz. Alles kontrolliert von den Mitarbeitern der Nationalparkbehörde in Puerto Ayora auf der zweitgrößten Insel Santa Cruz. Sie regelt Gästezahlen, Routen und Größe der Schiffe, Häufigkeit der Touren. Touristen dürfen die Inseln nur in Begleitung eines Naturführers betreten. Man darf nur auf den vorgeschriebenen Wegen gehen, und es ist verboten, Lebensmittel auf die Inseltouren mitzunehmen oder Tiere zu berühren.

El Niño macht dem Paradies zu schaffen

Dass sich das Verhalten der Tiere durch die Besucher verändern würde, hat Naturforscherin Mortola nicht festgestellt. Die Ecuadorianerin sorgt sich vielmehr um die Klimaveränderung oder Phänomene wie El Niño. Studien hätten gezeigt, dass zum Beispiel die Sardinenpopulation von Jahr zu Jahr abnehme. Das wiederum habe zur Folge, dass die Zahl der Blaufußtölpel zurückgegangen ist, denn die Sardinen sind wichtigster Bestandteil ihrer Nahrung.

Auch Meeresschutzexperte Krumsiek kommt zu einem ähnlichen Ergebnis und verweist auf das Beispiel der Galápagos-Pinguine: "Für das El-Niño-Jahr 1997 gab es Untersuchungen, die Mortalitätsraten unter den Galápagos-Pinguinen von bis zu 77 Prozent belegen." Warum? "Weil die ab einer bestimmten Wassertemperatur aufhören zu brüten, weil sich ihre Nahrungsgrundlage ausdünnt." Allerdings sei die Datenlage ungenau, schränkt Krumsiek ein.

Runter von der Roten Liste

Am nächsten Tag erreicht das Schiff Puerto Baquerizo Moreno auf San Cristóbal, der zweitgrößten Insel. Zwischen den ankernden Fischerbooten stürzen Blaufußtölpel wie Pfeile ins Wasser, um Fische zu erbeuten. Das heisere Bellen von Seelöwen ist zu hören, die uns auf dem Landungssteg aufgeregt empfangen. Der verschlafene Ort mit seinen 5500 Einwohnern ist die Hauptstadt der Provinz Galápagos. Ein kleines, buntes Touristenstädtchen mit Restaurants, Tauchschulen und Strandbars, Souvenirläden und Supermärkten, Hostels und einem Designerhotel, in dem Zimmer knapp 400 Euro die Nacht kosten. Autos, Busse und Motorräder sind auf den asphaltierten Straßen unterwegs, sogar Taxis gibt es.

Seit die Galápagos-Inseln 1959 zum Nationalpark und 1978 zum Unesco-Weltnaturerbe erklärt wurden, ist der Tourismus überlebenswichtig für seine Bewohner. 2007 wurde der Archipel auf die Rote Liste der bedrohten Welterbestätten gesetzt. Die Regierung verschärfte daraufhin die Regeln für Bewohner und Touristen. Mit Erfolg: 2010 wurde der Archipel wieder von der Liste gestrichen. Zugleich aber wurde die Begrenzung der Besucherzahlen aufgehoben.

Ein Millionen-Geschäft

Nach der nächtlichen Überfahrt liegt die Silver Galapagos vor Española im Südosten des Archipels. Ein feiner Sandstrand lädt zum Baden und Schnorcheln ein. An einer langgezogenen Bucht liegen Seelöwen. Keiner lässt sich von den Zweibeinern stören: Mütter säugen ihre Jungtiere, andere dösen in der Mittagssonne oder posieren für die Touristenkameras mit gerecktem Hals und gespreizten Flossen, als hätten sie nur darauf gewartet, für die private Sofashow für die Daheimgebliebenen digital abgelichtet zu werden.

Fernando Ortiz war hier schon unzählige Male. Er kennt Española und die anderen 122 Inseln von Galápagos wie kein anderer. Er war einige Jahre für die Nationalparkbehörde tätig und für die Meeresschutzgebiete zuständig. Ortiz erklärt den Besuchern Flora und Fauna und achtet darauf, dass niemand den Tieren zu nahe kommt, irgendetwas mitnimmt oder wegwirft. Fünf Millionen Jahre konnten sich die Tiere und Pflanzen des Archipels fast ungestört entwickeln, sagt Ortiz. Das Einzige, was die Besucher heute hinterlassen sollen, sind ihre Fußspuren. "Galápagos ist ein 550-Millionen-Dollar-Geschäft – jährlich. Die Regierung Ecuadors, aber auch viele Einheimischen sind sich dessen bewusst und wollen, dass die Inseln erhalten bleiben."

Inseln entlasten

Knapp 80 Kreuzfahrtschiffe sind bei der Nationalparkbehörde für Landgänge registriert. Es dürfen nur kleinere Motorschiffe mit geringem Tiefgang und maximal 100 Passagieren an Bord die Inseln erkunden. Schiffe mit über 100 Passagieren sind überhaupt nicht zugelassen. Bis 2012 durften Kreuzfahrtschiffe die Hauptinseln beliebig oft ansteuern. Damit ist Schluss, jetzt gilt der 14-Tage-Rhythmus, nach dem ein Schiff jede der Inseln nur einmal in zwei Wochen anlaufen darf. So sollen stark frequentierte Inseln entlastet werden. Damit verlängert sich die Dauer der Reise für jene, die alle Inseln sehen möchten, auf zwei Wochen. Je eine Woche dauert die Reise zu den östlichen und westlichen Inseln.

An der Hafenmauer von Puerto Ayora, der Hauptstadt von Santa Cruz, steht ein kleiner, improvisierter Marktstand. In weißen und blauen Plastikbehältern liegen die unterschiedlichsten Fischsorten. Mit dem Tranchiermesser filetieren die Marktfrauen sie in Windeseile. Vor und hinter der Betontheke verfolgen Seehunde, Vögel und ein gutes halbes Dutzend Pelikane jeden Handgriff beim Zerlegen der Meeresfrüchte. Sie warten nur darauf, ein Stück zu stibitzen.

Auch Anita Ramos steht vor der Theke. Sie ist Sozialarbeiterin und auf Galápagos geboren. Ihr lautes, herzliches Lachen lässt sogar die Pelikane kurz hochschrecken. Während im Hintergrund die Dieselmotoren brummen, beginnt sie zu philosophieren: "Wir befinden uns am Ende der Welt, aber gleichzeitig ist es ihr Anfang." Es sei ein Privileg, hierherkommen zu dürfen. Es ist dieses Gefühl der Dankbarkeit, das jeden ergreift, der die Galápagos-Inseln besucht. (Michael Marek, RONDO, 8.12.2016)