Tamás Gyárfás dankte nach 23 Jahren als Präsident ab.

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Rücken- und Lagenstar Katinka Hosszú (27) hält bei drei Olympia-, zehn WM- und 23 EM-Titeln sowie einem gestürzten Verbandspräsidenten.

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Er gilt als Prototyp des postkommunistischen Geschäftsmanns und Sportfunktionärs in Personalunion. Als Machtmensch, Macher, autoritäres und eitles Alphatier. In der Sache durchaus erfolgreich, doch dabei den persönlichen Vorteil nie aus den Augen verlierend. Doch vergangene Woche haute Tamás Gyárfás (67), seit 23 Jahren Präsident des Schwimmverbands (MÚSZ) in Ungarn, den Hut drauf. Der Druck auf ihn war unerträglich geworden. Monatelang hatten Ungarns Topschwimmer, angeführt von Katinka Hosszú, gegen ihn rebelliert. Zuletzt – das war wohl entscheidend – ließ ihn auch Ungarns rechtspopulistischer Regierungschef Viktor Orbán fallen.

Als der ehemalige Sportreporter Gyárfás 1993 an die Spitze des Verbands gelangte, war er bereits ein erfolgreicher Medienunternehmer. Die Eigentümerschaft an Nap TV, dem von ihm kreierten ersten Frühstücksfernsehen nach der Wende, und der Spitzenposten im Schwimmverband bedeuteten für einen wie ihn keinen Interessenkonflikt, sondern einfach neue Synergien zur Einfluss- und Machtmehrung.

Kontinuität aus dem Kommunismus

Ungarns Schwimmsport war schon in der kommunistischen Zeit legendär. Startrainer wie Tamás Széchy produzierten vor und nach der Wende Olympiasieger und Weltmeister am laufenden Band, unter ihnen Tamás Darnyi oder András Hargitay. Széchys Nachfolger László Kiss "produzierte" die Olympiasieger Krisztina Egerszegi und Dániel Gyurta.

Das kommunistische Regime hatte Schwimmerfolge großzügig dotiert. Gyárfás adaptierte das System der staatlichen Förderung für die neuen Verhältnisse. Sponsoren wurden eingebunden, Marketingmöglichkeiten erschlossen. Das System aus der Vorwendezeit mit charismatischen, aber ebenso autoritären und wenig innovationsfreudigen Toptrainern blieb weitgehend intakt. Die Erfolge sprachen weiter für sich: In die Ära Gyárfás fielen neun Gold-, sieben Silber- und sechs Bronzemedaillen bei sechs Olympia-Auflagen. Keine schlechte Bilanz für ein kleines, nicht eben reiches Land.

Schließlich war es die mehrfache Olympiasiegerin und Weltmeisterin Katinka Hosszú, die dem System Gyárfás den Kampf ansagte. Zu Beginn des Olympiajahres 2016 zerriss sie vor laufenden Kameras den ihr vorgelegten Fördervertrag, der sie zu unentgeltlichen Werbeleistungen für die Schwimm-WM 2017 in Budapest verpflichtet hätte. Hosszú konnte sich die Düpierung Gyárfás' leisten, weil sie mit ihrem Ehemann und Coach, dem Amerikaner Shane Tusup, vom Verband unabhängig ist. Preisgelder decken ihren Lebensunterhalt und die Kosten fürs Training in den USA.

Gremien voller Loyalisten

Am Ende ließ Orbán den Langzeitpräsidenten fallen, mediale Regierungssprachrohre tönten von der "Uhr", die "tickt". Doch kann es im Verband zum Neustart im Sinne der Schwimmer kommen? Beobachter sind skeptisch. Gyárfás hat die Verbandsgremien mit Loyalisten aufgefüllt, er kontrolliert auch die wirtschaftlichen Strukturen, die die WM 2017 in Budapest organisieren. Diese liegt wiederum dem Populisten Orbán am Herzen – zumal sein Oligarch István Garancsi die überteuerte neue Dagály-Schwimmarena im Norden der Stadt eigens für diesen Anlass erbaut.

Orbáns Staatssekretärin für Sport, Tünde Szabó, stellte bereits klar, dass nur die Nachbesetzung von Gyárfás zur Disposition steht. Verbandskapitän András Hargitay, auch er ein Gyárfás-Mann, ging Hosszú im Vorfeld der Kurzbahn-WM in Kanada an: "Ist es das, was du gewollt hast, Katinka? Bist du jetzt zufrieden?" Für weitere Wickel scheint gesorgt.(Gregor Mayer aus Budapest, 6.12.2016)