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Am Ort des Mordes an einer 19-jährigen Studentin in Freiburg erinnern Blumen an das Verbrechen.

Foto: REUTERS/Vincent Kessler

Freiburg/Kabul – Nach einem Abgleich von Fingerabdrücken geht die deutsche Polizei davon aus, dass der Verdächtige im Freiburger Mordfall zuvor bereits in Griechenland ein Gewaltverbrechen an einer jungen Frau begangen hat. Der deutsche Innenminister und Kriminalisten werfen den griechischen Behörden nun Versagen vor.

Der Verdächtige war am 26. Mai 2013 in Griechenland wegen eines versuchten vorsätzlichen Tötungsdelikts und Raubes zu zehn Jahren Haft verurteilt und am 30. Oktober 2015 mit Auflagen entlassen worden, berichtete der deutsche Innenminister Thomas de Maizière. Der junge Mann kam dann als Flüchtling im November 2015 nach Deutschland, wo er bei einer Pflegefamilie in Freiburg lebte. Ihm wird zur Last gelegt, Mitte Oktober die 19 Jahre alte Studentin Maria L. in Freiburg vergewaltigt und ermordet zu haben. Auf der Insel Korfu soll er 2013 eine 20-jährige Studentin eine hohe Klippe hinabgeworfen haben. Das Opfer habe schwer verletzt überlebt.

Fahndung nur in Griechenland

Durch ein Gesetz aus dem Jahr 2015, das wegen der Überbelegung griechischer Gefängnisse die Entlassung von Strafgefangenen ermöglichte, kam Hussein K. unter Auflagen aus der Haft frei. Er sollte sich jeden Monat bei der Polizei melden, doch zwei Monate nach der Freilassung verlor sich seine Spur. Offenbar war er nach seinem Untertauchen von den griechischen Behörden nur innerhalb des Landes, nicht aber international zur Fahndung ausgeschrieben worden. Weder Interpol noch das Schengener Informationssystem (SIS) seien alarmiert worden, obwohl er Griechenland kurz nach seiner Haftentlassung im Oktober 2015 trotz Meldeauflagen verließ.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sprach von einem "eklatanten Versagen" griechischer Behörden. Da die Daten nicht in das SIS eingetragen worden seien, sei er nicht als gesuchter Straftäter identifiziert worden, als er im November 2015 auf dem Bundespolizei-Revier Freiburg Asyl beantragte. "Hätten die Griechen ihn zur internationalen Fahndung ausgeschrieben, wäre er uns auch aufgefallen", sagte BDK-Chef Andre Schulz der "Bild" vom Donnerstag.

Schwere Vorwürfe an Griechenland

De Maizière warf den griechischen Behörden deswegen schwere Versäumnisse vor. "Ansonsten wäre der Tatverdächtige bei einer ordnungsmäßigen Kontrolle durch die deutschen Sicherheitsbehörden in verschiedenen Stufen aufgefallen. Das ist ein sehr ärgerlicher Vorgang. Wir werden das sicherlich mit der griechischen Seite auch zu besprechen haben."

Derartige Vorwürfe lässt die griechische Seite nicht gelten. "Die Freilassung war legitim und völlig gesetzeskonform", sagte der Generalsekretär des griechischen Justizministeriums, Eftyxis Fytrakis, der "Bild"-Zeitung. "Sein Betragen war exzellent. Er besuchte die Schule in der 6. und 7. Klasse, leistete 581 Tage freiwillige Arbeit ab."

Alter unklar

Noch nicht sicher sind das Alter des Verdächtigen und seine Herkunft: K. hatte den deutschen Behörden angegeben, er stamme aus Afghanistan und sei 17 Jahre alt. Bei seiner Einreise im November 2015 will er 16 gewesen sein. Diese Angaben würden nun geprüft, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Ein Gutachten soll das Alter klären. Eindeutige Dokumente hatte K. bei seiner Einreise nach Deutschland nicht vorlegen können, seit seiner Festnahme schweige er. Untergebracht ist er mittlerweile in einem Gefängniskrankenhaus bei Ludwigsburg.

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" und der Deutschen Presse-Agentur ist der Verdächtige laut seinem in Griechenland vorgelegten Pass älter als 17 Jahre. Zumindest diesen Daten der griechischen Behörden zufolge wurde er am 1. Jänner 1996 geboren.

Die griechischen Behörden wollen nun gemäß dem üblichen Verfahren die Auslieferung beantragen. Der Verdächtige werde jedoch "zunächst in Deutschland vor Gericht gestellt", berichtete die Nachrichtenagentur AFP. "Wenn er verurteilt wird, wird er seine Strafe verbüßen, bevor das Auslieferungsverfahren fortgesetzt wird." (APA, 15.12.2016)