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München – Bislang war nur wenig über die Rolle des Immunsystems des Gehirns im Zusammenhang mit der Alzheimer-Erkrankung bekannt. Forscher vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben nun in einer Studie an Personen mit einer genetischen Veranlagung für Alzheimer eine frühzeitige Immunantwort festgestellt. Das zentrale Ergebnis der Untersuchung: Bereits etwa sieben Jahre vor dem erwarteten Ausbruch von Demenzsymptomen traten im Gehirn abnorme Immunreaktionen auf.

An der Untersuchung beteiligten sich 127 Probanden mit einer genetischen Veranlagung für Alzheimer. Sie waren im Mittel 40 Jahre alt. Die überwiegende Mehrheit zeigte noch keine Symptome einer Demenz oder hatte nur sehr geringe kognitive Beeinträchtigungen.

Anhand der Konzentration des Eiweißstoffes "TREM2" im Nervenwasser konnten die Wissenschaftler aber eine ansteigende Immunaktivität des Gehirns nachweisen. TREM2 wird von den Fresszellen des Gehirns – sogenannten Mikroglia – abgegeben und spiegelt somit deren Aktivität wider. "Die Aktivität der Fresszellen wird durch sterbende Hirnzellen stimuliert. Nicht durch die Ablagerungen von Amyloid-Proteinen, den sogenannten Plaques, die bei Alzheimer ja ebenfalls auftreten. Die Fresszellen haben möglicherweise eine Schutzfunktion, die jedoch im Zuge der Erkrankung zum Erliegen kommt. Wir forschen deshalb an Wirkstoffen, um die Aktivität der Fresszellen zu erhöhen", erläutert Studienleiter Christian Haass.

Möglicher therapeutischer Marker

Die Forscher schließen daraus, dass sich bei Alzheimer entzündliche Prozesse im Gehirn dynamisch entwickeln. Sie seien demnach Vorläufer der Demenz. Da sich diese Immunreaktionen anhand eines Proteins im Nervenwasser nachweisen lässt, gibt es eine Möglichkeit, den Krankheitsverlauf für den Arzt nachvollziehbar zu machen, betonen die Experten.

"Zwischen der vererbbaren Form von Alzheimer und der sogenannten sporadischen Variante, die weitaus häufiger vorkommt, gibt es viele Gemeinsamkeiten. Der TREM2-Wert könnte daher ein Biomarker sein, an dem sich die Immunaktivität im Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung ablesen lässt, unabhängig davon, ob die Erkrankung genetisch bedingt ist oder nicht. Möglicherweise eignet sich der TREM2-Wert auch als therapeutischer Marker, an dem man die Reaktion auf eine medikamentöse Behandlung ablesen kann. Diese Aspekte wollen wir in Zukunft untersuchen", resümiert Michael Ewers, Mitautor der Studie. (red, 15.12.2016)