Keine Angst vor Schwarzen Löchern: der britische Physiker Stephen Hawking. Denn wie er herausfinden konnte, zerstrahlen sie mit der Zeit.

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Cambridge/Wien – Albert Einstein, Isaac Newton, "Star Trek"-Held Data und Stephen Hawking sitzen in einer Holodecksimulation und pokern. Als Hawking den Einsatz erneut erhöht, schmeißt Newton die Karten hin, sichtlich genervt vom nutzlosen Gambeln. Data entscheidet ebenfalls, nicht mehr mitzuziehen. Nur Einstein, vor dem sich der größte Stapel an Chips türmt, will Hawking das Pokerface nicht abnehmen: "Alle Quantenfluktuationen im Universum werden die Karten in Ihrer Hand nicht auswechseln." Mit breitem Grinsen legt Hawking die Karten auf den Tisch: ein Vierling – die Runde geht an ihn.

Mit zahlreichen Gastauftritten bei den "Simpsons", "Futurama" und der "Big Bang Theory" ist der britische Physiker Stephen Hawking zwar äußerst routiniert, was Fernsehproduktionen angeht. Der Auftritt in "Star Trek", seiner "liebsten Science-Fiction-Serie", hat ihm allerdings ein besonderes Vergnügen bereitet, wie er gerne erzählt. Die Szene scheint Hawking wie auf den Leib geschrieben: Er tritt gegen die Gesetze der Wahrscheinlichkeit und die Größen der Physik an – und gewinnt.

Dass diese Losung in gewissem Sinn für Hawkings Leben steht, wird am 8. Jänner besonders deutlich, wenn er seinen 75. Geburtstag feiert. Mit Anfang 20 war Hawking PhD-Student in theoretischer Astronomie und Kosmologie an der Universität Cambridge, an der er bis heute tätig ist. Hawking galt als talentiert, wenn auch nicht gerade fleißig. Die Krankheit meldete sich zunächst mit unvermittelten Stürzen. Meist blieb nur ein Kratzer, bei einem schweren Sturz über Stiegen verlor er aber das Bewusstsein. Als er 21 Jahre alt war, wurde schließlich Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert. Bei dieser degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems gaben ihm die Ärzte noch "zwei bis drei" Jahre zu leben.

Drohung des Todes

Hawking verfiel in eine Depression, ging aber an die Uni zurück, entdeckte seine Liebe zu Wagner und identifizierte sich mit der Tragik. Die Krankheit schritt langsamer voran als erwartet. Die medizinische Erklärung dafür: Er leidet vermutlich an einer chronisch juvenilen ALS, die einen längeren Krankheitsverlauf hat. Hawking hat eine andere Erklärung: "Was den Unterschied machte, war, dass ich mich verliebt habe."

Trotz der kurzen Lebenserwartung heiratete die drei Jahre jüngere Romanistikstudentin Jane Wilde Hawking im Jahr 1965. Drei Kinder gingen aus der Beziehung hervor. Für Hawking bedeutete die Ehe einen Motivationsschub – nun wollte er einen Job finden, und dazu musste er das Doktorat abschließen. "Damals begann ich zum ersten Mal in meinem Leben hart zu arbeiten. Und zu meiner Überraschung mochte ich es", erzählte er 2012 in einem Dokumentarfilm. Aus der Drohung des Todes schöpfte er Motivation für sein Leben: "Da jeder Tag mein letzter sein könnte, habe ich das Begehren entwickelt, aus jeder Minute das Beste zu machen."

Universum ohne Gott

Wer meint, dass die erschwerten Umstände Hawkings wissenschaftlichen Ehrgeiz einbremsten, der irrt – im Gegenteil. "Da ich wusste, dass ich nicht viel Zeit haben würde, wollte ich die großen Fragen der Kosmologie angehen." Der Doktorand wandte sich keiner geringeren Frage zu als der nach dem Ursprung des Universums.

Dazu muss man wissen, dass zu dieser Zeit zwei Theorien gegeneinander antraten, um die Entstehung des Universums zu erklären: einerseits die Steady State Theory, nach der das Universum schon immer existiert hat. Damals war das die bequemere Theorie für viele Physiker, ersparte sie ihnen doch die unangenehme Frage, wie das Universum begonnen hat und ob es dazu einen Schöpfer bräuchte. Diese pikante Frage stellte sich Hawking, indem er sich der Konkurrenztheorie annahm: der Urknalltheorie. "Ich fragte mich, könnte der Big Bang von sich aus passieren, ohne die Existenz eines Gottes?" Seine monatelangen Berechnungen ergaben: ja.

Es gibt immer einen Ausweg

Seine Frau und Studienkollegen verbrachten Wochen an der Schreibmaschine, um Hawkings Dissertation abzutippen – er selbst war dazu nicht mehr in der Lage. Der Inhalt seiner Arbeit brachte ihm in der Fachwelt rasch ein gewisses Renommee ein, auch wenn er der breiten Öffentlichkeit damals noch nicht bekannt war.

Seine bekannteste Theorie stellte Hawking 1974 mit der nach ihm benannten Hawking-Strahlung auf. Während man zuvor dachte, Schwarze Löcher würden eine derart starke Gravitationskraft ausüben, dass sie keine Strahlung aussenden, konnte Hawking das Gegenteil zeigen: Schwarze Löcher zerstrahlen – je nach Masse mehr oder weniger schnell. Was schließt Hawking daraus? "Wenn Sie sich wie in einem Schwarzen Loch fühlen, geben Sie nicht auf, es gibt einen Weg hinaus."

Die Arbeit, in der es ihm erstmals gelang, Relativitätstheorie, Quantentheorie und Thermodynamik zusammenzuführen, brachte ihm breite Anerkennung ein. So folgte eine Einladung an das California Institute of Technology in die Gruppe von Kip Thorne. Während des einjährigen Aufenthalts verlor Hawking die Fähigkeit, mit seinen Händen zu schreiben. "Gleichzeitig entwickelte er außergewöhnliche Wege zu denken", erinnert sich Thorne an diese Zeit. "Er konnte gedanklich zu den Grenzen des Wissens reisen und Dinge sehen, die sonst niemand sehen konnte."

Im eigenen Körper gefangen

Den Tiefpunkt seiner Krankheit erlitt Hawking 1985, als er infolge einer Lungenentzündung nicht mehr sprechen konnte. 2012 blickte er zurück: "Ich fühlte mich in meinem Körper gefangen." Der überraschende Lichtblick kam durch einen Programmierer aus Kalifornien, der Hawkings ersten Sprachcomputer entwickelte. Seitdem spricht Hawking mit amerikanischem Akzent, was die Queen nicht unbedingt goutiert.

Durch den Sprachcomputer gelang es Hawking auch, sein erstes populärwissenschaftliches Buch fertigzustellen, das 1988 unter dem Titel "A Brief History of Time" ("Eine kurze Geschichte der Zeit") erschien. Zunächst wurde er für sein Vorhaben belächelt, ein Buch über den Urknall, Schwarze Löcher und Quantenphysik schreiben zu wollen, das sich "an jedem Flughafen" verkaufen sollte. Doch die "Kurze Geschichte der Zeit" erreichte millionenfache Verkäufe und hielt sich vier Jahre in den Bestsellerlisten. Hawking war damit endgültig zum Popstar der Physik geworden.

Kehrseite des Erfolgs

Der Ruhm hatte aber auch seine Schattenseiten – seine Frau und er entfremdeten sich und trennten sich 1990, 1995 folgte die Scheidung. Wenig später heiratete Hawking seine Pflegerin. Mittlerweile sind sie geschieden.

Da Geburtstage immer auch die Endlichkeit des Lebens ins Sichtfeld rücken, interessiert uns hier noch, wie Hawking über den Tod denkt: "Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber es gibt so vieles, was ich vorher noch herausfinden will." In diesem Sinne: Happy birthday, Stephen Hawking! (Tanja Traxler, 7.1.2017)