Klangforum-Manager: Sven Hartberger.

Foto: Lukas Beck

Mobile Moderne: Alban und Helene Berg in den Bergen. Auch der Vertreter der Zweiten Wiener Schule ist Teil der Festlichen Tage.


Foto: Berg-Stiftung

Wien – Es ist eine heitere, berechtigte Okkupation des Begriffspaares "alte Musik". Gemeinhin mit Stilen verbunden, die einige Jahrhunderte hinter sich gebracht haben und etwa im Konzerthaus (21. bis 29. 1) bei den Resonanzen erschallen, umarmt das Wortpaar bei den Festlichen Tagen alter Musik (ab 19. 1.) bewusst Opera des 20. Jahrhunderts – in fünf örtlich verstreuten Konzerten.

Sven Hartberger, Intendant des Klangforums Wien, das sich der Stücke festlich annimmt: "Die Grundidee der Tage ist, selten oder nie gespielte Werke aus der Zeit des großen Aufbruchs in der Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu präsentieren, die durch die Neuartigkeit ihrer Erfindung entscheidend zur Entwicklung des kompositorischen Denkens beigetragen haben, wie es die Musik der Gegenwart prägt."

Die Programmrecherche habe Klangforum-Kontrabassist Uli Fussenegger vorgenommen, und dies sei eine nicht unschwierige Aufgabe gewesen: "Das Ergebnis darf ja nicht im akademischen Sammeln von Historischem steckenbleiben. Es soll auch instruktive wie inspirierend-freudvolle Konzerterlebnisse zeitigen."

Zum Feststart (19. 1. im Konzerthaus) geht es um "Endzeit" mit Werken von Sibelius, Schreker und Berg. In weiterer Folge gastieren die Tage im Schönberg Center (22. 1., Werke von Janácek und Hába); eine literarische Farbe steuert Dichter Ferdinand Schmatz bei: "Er wird bei zwei Konzerten mit literarischen Interventionen als Vortragender präsent sein, mit eigenen neuen Dichtungen." Auch gastiert man im Wien-Museum (27. 1.), wo es um "erstickte Stimmen" geht, also Werke von Krenek, Zeisl und Wilhelm Grosz. Hartberger: "Mit dem Wien-Museum gibt es auch eine enge thematische Verknüpfung durch die aktuelle Fotoausstellung von Robert Haas. Haas war einer der bedeutendsten Lichtbildner der Zwischenkriegszeit und musste vor den Nazis in die USA fliehen. Direktor Matti Bunzl wird die Verbindungen zwischen der Musik und der bildenden Kunst der 1920er und 1930er beim Konzert beleuchten. Der Generalpass gewährt während der Dauer unseres Festivals übrigens freien Eintritt ins Museum."

Hartberger, seit langem ein emphatischer Advokat des Zeitgenössischen, über die Tatsache, dass klassische Moderne oft noch immer als neu empfunden wird, und den ironischen Aspekt der Titelwahl "Tage alter Musik": "Es ist bestimmt bemerkenswert, dass die Verwendung des Begriffs ,alte Musik' für hundert Jahre alte Kompositionen allgemein als ironisch empfunden wird. Der Titel soll dieses – ohnehin bekannte – Paradoxon ins Bewusstsein rücken. Das Faktum, dass viele Musikfreunde Werke, die vor einhundert Jahren uraufgeführt wurden, noch immer für neue Musik halten, hat natürlich einige Gründe" – man müsse nicht nach "Schuldigen" suchen.

"Die feindselige Haltung der diversen Faschismen des 20. Jahrhunderts gegen jede Neuerung in der Kunst und besonders in der Musik wirkt hier sicher noch immer nach. Auch die Musikkritik hat wenig dazu beigetragen, das Publikum für eine erneuerte und erweiterte Klangsprache zu gewinnen. Als wirksame Propaganda gegen das Zeitgenössische wirken auch die Programme jener großen Opernhäuser, deren Repertoire zu 90 Prozent Musik präsentiert, die aus dem 19. und 18. Jahrhundert stammt. Dazu zählt – kulturmorphologisch gehört – natürlich auch die Musik von Richard Strauss."

Seine Definition von Avantgarde heute? "Das, was Avantgarde immer war: Kunst, die sensibel ist, sensibel macht für die eigentlichen Fragen der Zeit und der nahen Zukunft, Fragen, die überhaupt zu erkennen unserem technokratisch geprägten Bewusstsein schwerfällt und die in den gängigen Medien folglich auch nicht verhandelt werden. Die Avantgardisten unter den Künstlern begnügen sich nicht mit der Behübschung unserer Leben." (Ljubisa Tosic, 3.1.2017)