Kulturkampf über die Köpfe von Frauen: Öffentlicher Dienst ist nicht gleich öffentlicher Dienst.

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Der Integrationsminister fordert ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Das kann man (zu Recht) für eine Scheindebatte und ein durchsichtiges Flirten mit FPÖ-Sympathisanten halten, und man kann dafür oder dagegen sein. So einfach ist das.

Ist das so einfach? Ist es nicht. Und es spricht gegen die meisten Politiker, die sich zuletzt zu Wort meldeten, dass sie so getan haben, als wäre das eine simple Fragestellung.

Pauschale Unterstellung

Abgesehen davon, dass es mehr als nervig ist, dass Kulturkämpfe immer wieder über die Köpfe von Frauen ausgetragen werden: Es ist äußerst gewagt, pauschal zu unterstellen, jede Trägerin habe ihr Kopftuch als Symbol dafür umgebunden, dass sie politischen Islamismus unterstütze. Das kann sein, dann muss man aber die Taten der betreffenden Person beobachten und werten – und nicht ihre Kopfbedeckung.

Zudem ist öffentlicher Dienst nicht gleich öffentlicher Dienst. Ob jemand mit Kruzifix um den Hals, Perücke oder Kopftuch Bürodienst versieht, ist vollkommen unerheblich. Gegen eine Straßenbahnfahrerin mit Kopftuch spricht genauso wenig wie gegen eine Ärztin. Hier muss jemand etwas von seinem Job verstehen. Es geht nicht darum, sich in Ausübung des Dienstes in Religionsfragen "neutral" zu verhalten.

Verständnisbrücke

In anderen Bereichen kann das Kopftuch hocherwünscht sein und zu weit besseren Ergebnissen führen als ein Verbot desselben: etwa im Polizeidienst oder im Asyl- und Fremdenrecht, wenn es wichtig ist, Zugang zu bestimmten kulturellen Gruppen zu finden. Hier kann das Tuch auf dem Kopf eine Brücke des Verständnisses bilden.

Schwieriger wird die Sache im Schuldienst: Von Lehrerinnen, zumal in öffentlichen Schulen, müssen Eltern Äquidistanz zu Weltanschauungen aller Art erwarten können – nicht nur, was politische Parteien, sondern auch, was das Religionsbekenntnis betrifft. Das heißt nicht, dass die Schüler keinen Tau von Politik bekommen sollen – und auch nicht, dass die Schule der Verpflichtung enthoben wäre, gewisse universelle Werte wie etwa Gewaltlosigkeit, Solidarität und Toleranz zu lehren. Das geht auch dann gut, wenn kein Kreuz im Klassenzimmer hängt – was im Sinne dieser geforderten Neutralität nur konsequent wäre.

Ganz anders ist es wiederum im Religionsunterricht selbst: Hier spricht ebenso wenig gegen das Tuch auf dem Kopf wie gegen das Kreuz um den Hals oder am Ohrläppchen. Und vielleicht ein positiver Nebeneffekt: Die Religionslehrerin mit Kopftuch kann den halbwüchsigen Kraftmeiern womöglich wesentlich besser und glaubwürdiger die Leviten lesen, wenn diese versuchen, Klassenkolleginnen unter das Tuch zu mobben.

Neutral im Namen des Gesetzes

Heikel ist das Gebiet der Rechtsprechung. Hier gibt es keine klare Regelung, nur Auslegungen – und das ist nicht genug. Nicht umsonst fordern Richter und Staatsanwälte seit Jahren klare Bestimmungen. Rechtspraktikantinnen mit Kopftuch dürfen mal in den Gerichtssaal, mal wieder nicht – eine unbefriedigende Nichtlösung.

Ob Menschen, die vor Gericht stehen, dort auch Gerechtigkeit widerfährt, ist – und war immer – fraglich. Gleichwohl müssen sie dort strikte Neutralität im Namen des Gesetzes und ein ernsthaftes und gleichmäßiges Abwägen aller Fakten erwarten dürfen. Es geht vor Gericht um Gesetze und Erkenntnis – und nicht, wie in Religionsdingen, um Offenbarung und um "Gut" oder "Böse". Diese Kategorien hat die moderne Rechtsprechung zu Recht aus den Gerichtssälen verbannt. Das "Böse an sich" kann und darf vor Gericht nicht Verhandlungsgegenstand sein.

Laizismus vor Gericht

Insofern ist Justizminister Brandstetter zuzustimmen: Frauen und Männer, die den Talar tragen und das Rechtssystem der Republik repräsentieren wollen, müssen auch bereit sein, auf religiöse Symbole zu verzichten. Man muss aber weiter gehen: Bei Gericht ist Laizismus, also die klare, vollständige Trennung von Kirche und Staat, unabdingbar. Das hieße aber auch, dass das Kreuz aus dem Gerichtssaal verbannt werden muss: jenes um den richterlichen Hals genauso wie jenes, zumeist festgeschraubte, auf dem Richtertisch.

Und es bedeutet auch, dass die Vereidigung der Schöffen nicht "so wahr mir Gott helfe", sondern ausschließlich im Namen der Republik und ihrer Gesetze erfolgen müsste. Wer das nicht will, müsste konsequenterweise auch zulassen, dass Muslime auf den Koran und Juden auf die Tora vereidigt werden.

So weit will Brandstetter offenbar nicht gehen. Sobald es ums Kreuz geht, wird es auf konservativer Seite schwammig. Der Verdacht liegt nahe: Es geht nicht um Laizismus und Säkularität, es geht um die Hegemonie des Christentums. Nur sagt das keiner laut und klar. (Petra Stuiber, 10.1.2017)