Humane Papillomaviren fühlen sich an den Eingängen und Ausgängen des menschlichen Körpers wohl. Sexuelle Praktiken sind deshalb ein Thema.

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Wien – Mitunter lassen sich gesundheitspolitische Maßnahmen ziemlich schnell an den Krankenzahlen ablesen. Zum Beispiel wenn es ums Rauchen geht. Als in den USA das Rauchen in öffentlichen Gebäuden und Restaurants untersagt wurde, merkten es die Epidemiologen ziemlich rasch, weil die Zahlen für Krebs rasant zurückgingen. Konkret sanken auch die Fälle von Halskopftumoren, denn Rauchen ist neben Alkoholkonsum häufigster Auslöser von Krebs auf den Mandeln, am Zungengrund und im Rachen.

"Umso erstaunter war man, als die Krebszahlen plötzlich wieder anstiegen und vor allem junge Menschen erkrankten", erinnert sich Wolfgang Gstöttner, Vorstand der HNO-Klinik der Med-Uni Wien. Doch der Verursacher war schnell gefunden: Es ist der Humane Papillomavirus (HPV), der sich in den Schleimhäuten der Körperausgänge besonders gut einnisten kann.

HPV verursacht nicht nur Gebärmutterhalskrebs, er kann auch Auslöser von Halskopftumoren sein. 30 bis 40 Prozent der Patienten mit Tumoren im Rachenraum sind HPV-positiv. Zur Erinnerung: Es gibt über hundert unterschiedliche HPV-Stämme, besonders aggressiv sind HPV-16, 18, 30 und 32.

Versagen des Abwehrsystems

An sich hat das körpereigene Abwehrsystem das Potenzial, diese Viren abzuwehren. Das heißt: Die Viren verschwinden auch wieder. Warum das manchmal nicht funktioniert, ist Gegenstand aktueller Forschungen. Was man weiß: Viren als nicht eigenständige Organismen brauchen menschliche Zellen, um sich vermehren zu können, "doch manchmal kommt es durch HPV in den Schleimhautzellen zu einer malignen Transformation", sagt Gstöttner.

Oralsex ist die Hauptinfektionsursache, vor allem bei "häufig wechselnden Geschlechtspartnern und -partnerinnen", so Gstöttner. Und präzisiert: "Mehr als sechs pro Jahr." Wenn sich HPV-Viren aus unterschiedlichen Organismen im Mund-Rachen-Raum treffen, scheinen sie besonders aggressiv zu sein. Das Immunsystem ist überfordert, so Gstöttners Hypothese.

Die steigende Zahl von Halskopftumoren und die sich wandelnden sexuellen Praktiken scheinen dabei miteinander in Korrelation zu stehen. US-Studien zeigen, dass Oralsex vor allem in den USA eine häufig praktizierte Form des Geschlechtsverkehrs ist. "Die Unterschiede im Sexualverhalten in den verschiedenen Altersgruppen erklären auch die Unterschiede, die wir bei der HPV-Durchseuchung und den durch HPV verursachten Tumoren im Rachenraum in den verschiedenen Generationen beobachten – und vor allem auch, warum die Krebszahlen steigen", sagt Gypsyamber D'Souza, die an der Johns Hopkins University in Baltimore an der Erforschung von durch Viren verursachten Tumoren arbeitet.

Sexuelle Moden

Zudem wurde auf einem Meeting der American Association for the Advancement of Science verlautbart, dass sich Männer nicht nur leichter anstecken als Frauen, sondern die Infektion auch weniger leicht wieder loswerden, wie die "Washington Post" kolportierte. Dafür, warum HPV im Rachenraum bei Männern aggressiver als bei Frauen sei, gebe es aber noch keine definitiven Belege.

"Eventuell auch deshalb, weil viele junge Frauen mittlerweile auch gegen HPV geimpft und dadurch geschützt sind", vermutet Wolfgang Gstöttner. Der Experte spricht sich für eine HPV-Impfung auch für Buben aus, weil er immer wieder erlebt, wie sehr es seine HPV-positiven Patienten bereuen, diese Möglichkeit der Krankheitsprävention nicht genutzt zu haben. Ist der Virus erst einmal im Körper, hat die Impfung keinen Sinn mehr – zumindest fehlen die wissenschaftlichen Beweise dafür.

Die gute Nachricht: Tumoren, die durch HPV verursacht werden, sind relativ gut behandelbar, vor allem dann, wenn der Krebs so liegt, dass er entfernt werden kann. Rachentumoren bilden relativ rasch Metastasen im Hals. Mit Bestrahlung und Chemotherapie stünden die Heilungschancen im Vergleich zu anderen Krebsarten aber relativ gut. Früherkennung ist aber auch in der HNO-Onkologie entscheidend.

Wer mehr als sechsmal im Jahr Oralverkehr mit wechselnden Partnern hat, keine Kondome verwendet und ein Fremdgefühl im Hals verspürt, das über Wochen anhält, sollte zur Abklärung. "Safer Sex beziehungsweise Sex mit einem fixen Partnern sind aber auch eine Option zur Vermeidung einer HPV-Infektion", ergänzt Gstöttner, der dem Oralsex aus medizinischer Sicht allerdings neutral gegenübersteht. (Karin Pollack, 25.1.2017)

Originalstudie

Sex Differences in Risk Factors and Natural History of Oral Human Papillomavirus Infection

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