Shakespeares "Komödie der Irrungen" am Wiener Burgtheater.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Antipholus von Ephesus (Sebastian Blomberg) oder doch Antipholus von Syrakus in Shakespeares Paradestück der Verwechslungskunst.

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Wien – In Ephesus, dem Schauplatz von Shakespeares Komödie der Irrungen, scheint eine rätselhafte Epidemie ausgebrochen. Das höchste Ansehen genießt hier nicht etwa der regierende Herzog (Michael Masula), ein von Gesichtszuckungen geplagter zinnoberroter Prinz. Das Kraft- und Lachzentrum dieser Burg-Inszenierung bildet der Scharfrichter (Merlin Sandmeyer). Ein Pantomime unter Kletterzwang, der vom eigenen Galgenbaum herunterfällt und auch sonst keine zwei Sekunden stillhalten kann.

Hypernervös sind hier alle. Das gehört sich so im Theater des Regisseurs und Ausstatters Herbert Fritsch. Bauen andere Spielvögte in ihre Inszenierungen doppelte Böden ein, so huldigt Fritschs Kunst dem Kult der glänzenden Oberfläche. Jede Pluderhose schmerzt jollybunt in den Augen. Kein Satz, kein Vers, der nicht vom ausführenden Schauspieler – gleich welchen Geschlechts – erst hochgestemmt und dann kaltblütig niedergeulkt würde.

Ist es auch Wahnsinn, so ist er doch in Mode. Im Fritsch-Theater scheint die ganze Zeit über grelles Kunstlicht. Nur die Sonne der Aufklärung steigt niemals hoch. Die Komödie der Irrungen, dieses heitere, dabei melancholisch getönte Spiel um zweifache Verdoppelung und Verlust von Heimat, wird vor blassblauem Horizont als luxuriöse Schlachtplatte angerichtet (Ausstattung: Fritsch).

Es trötet der Trompetenbaum

Links ragt der Galgen, rechts steht ein Kletterbaum aus vielen fest miteinander verschweißten Posaunen. Die tröten, was die unsichtbar bewegten Züge halten. Vorne aber steht Ägeon (Klaus Pohl), ein würdiger Greis aus Syrakus, der sein Leben verwirkt hat (und in wenigen Sätzen die herrlichste Suada erzeugt!). Hier wird jemand mit dem Tode bedroht, weil er sich an unerwünschtem Ort befindet.

Die Kamarilla der Bewohner kann kaum ruhig halten. Sie erfährt von zweimal entzweiten Zwillingen. Der Antipholus von Ephesus (Sebastian Blomberg) gleicht seinem gleichnamigen Bruder aus Syrakus aufs Perückenhaar. Die beiden besitzen in der Kasper-Gestalt von Dromio (Simon Jensen) auch noch exakt gleich lautende Domestiken.

Im hochgeschlitzten Haus des Ephesus-Kaufmanns hält sich ein ganzer Pfauenschlag schöner Damen auf. Nicht nur Antipholus' Gemahlin (Dorothee Hartinger) gerät leicht in Brunft. Auch ihre Schwester Luciana (Stefanie Dvorak) kann vor Läufigkeit kaum an sich halten. Dazu gesellen sich kulleräugige Küchenmädchen (Marta Kizyma) und schneidend scharfe Kurtisanen (Mavie Hörbiger).

Aus all diesen eher zufälligen Konstellationen resultiert ein heiterer Ringelreihen, der nach wenigen Augenblicken ganz kolossal langweilt. Die Seuche hier trägt die Namen: Spaßzwang, szenische Verdoppelung, Niederringung des sprachlichen Arguments durch das beliebig eingesetzte gestische Ornament. Hilft alles nichts, so schlagen echte Stichflammen aus angeklebten Bärten.

Und so schieden sich die Geister im Publikum wie stets an der Selbstgenügsamkeit von Herbert Fritschs selig in sich selbst rotierendem Kosmos. Ist alles nett anzuschauen. Tut nur nichts zur Sache. Oder, wie die Gliederpuppe Dromio sagt: "Vulva, äh, wohl wahr!" (Ronald Pohl, 26.1.2017)