Eigentlich wollten die Petersons ihre Kaffeeplantage Ende der 1990er-Jahre schon aufgeben, zu tief gefallen waren damals die Kaffeepreise auf dem Weltmarkt, zu hoch gestiegen die Produktionskosten in ihrer Heimat Panama, als dass sich Anbau und Produktion noch ausgezahlt hätten.

"Panama ist ein vergleichsweise unbedeutender Kaffeeproduzent", erklärt Rachel Peterson, "die Bohnen wachsen nur in einem winzigen Gebiet, hier im Hochland an der Grenze zu Costa Rica. Mit den riesigen Plantagen in Brasilien oder Vietnam und den dort viel günstigeren Lohnkosten konnten wir einfach nicht mehr konkurrieren." Zudem wütete zu der Zeit in der Region gerade der gefürchtete Kaffeerost, eine Pilzkrankheit, die etliche Pflanzen befallen und vernichtet hatte. Doch dann kam durch puren Zufall die Rettung.

Eines Tages entdeckte Rachels Bruder Daniel in einem Winkel der Plantage auf mehr als 1600 Meter Seehöhe Sträucher, die den Pilzbefall weitgehend schadlos überstanden hatten. Sie gehörten einer Sorte namens Geisha an. Mit den japanischen Unterhaltungskünstlerinnen hat der Kaffee allerdings rein gar nichts zu tun. Viel mehr stammt er aus der Gegend rund um den Berg Geisha in Äthiopien, dem Mutterland des Kaffees, wo er bis heute wild wächst.

Geisha stammt ursprünglich aus Äthiopien.
Foto: Georges Desrues

Bereits vor mehreren Jahrzehnten fanden einige Samen zu Versuchszwecken ihren Weg nach Costa Rica und von dort nach Panama, weil man schon damals um ihre Resistenz gegenüber der Pilzkrankheit wusste. Als der Pilz wieder verschwand, wurden auch die Pflanzen vernachlässigt, da ihr Ertrag viel geringer war als jener von anderen Sorten.

Es brauchte also einen neuerlichen Pilzbefall, damit sich die Petersons auf den Geisha besannen. "Bis dahin ernteten und rösteten wir die Bohnen alle gemeinsam, ohne Rücksicht auf Sortenunterschiede und dergleichen", erzählt Rachel Peterson. Doch die Bohnen, die ihr Bruder mit auf die Farm der Familie brachte, hatten ein völlig anderes Aromabild als alles, was man bisher kannte.

"Es war ein glücklicher Zufall, dass zu der Zeit gerade der Trend zu hochwertigen und sortenreinen Kaffees aufkam", fährt Peterson fort. Also probierte man es mit dieser Sorte, setzte weitere Pflanzen davon aus, einige davon in einer noch höheren Lage, genannt Jaramillo auf mehr als 1650 Metern. Man röstete diese Bohnen gesondert und brachte im Jahr 2004 den ersten Hacienda La Esmeralda Geisha Coffee zu einer professionellen Verkostung mit anschließender Versteigerung.

Foto: Georges Desrues

Rekordpreis

Der Erfolg war gewaltig. "Erstmalig sortierten wir die Bohnen auch nach Lage, und der Kaffee aus den Bohnen von der Höhenlage in Jaramillo beeindruckte die Tester am allermeisten", erinnert sich Rachel Peterson. Bei der Versteigerung erzielte der Geisha dann einen Preis von mehr als 600 Dollar das Pfund (rund 1230 Euro pro Kilo), ein bis heute ungeschlagener Rekord im Kaffeehandel, fügt ihr Bruder an.

Wie klischeehafte Panamaer sehen die Geschwister übrigens nicht aus, obwohl sie miteinander Spanisch sprechen, und das mit deutlich lokalem Akzent. Beide sind hellhäutig, großgewachsen, blond und blauäugig – und die Enkelkinder von Rudolph A. Peterson, einem Schweden, der als Kind mit seiner Familie in die USA auswanderte und es bis zum Direktor der Bank of America brachte.

Die Farm Hacienda La Esmeralda kaufte er mit der Absicht, hier seinen Ruhestand zu verbringen. Was auch mehr als nachvollziehbar ist. In der Gegend rund um den Vulkan Barú und das Städtchen Boquete lässt sich es wunderbar leben. Die Natur ist üppig und weitgehend unberührt, die Landschaft lieblich und spektakulär zugleich, und die Temperaturen wegen der Seehöhe von mehr als 1000 Metern gemäßigt. Während man anderswo im Land vom tropischen Klima und feuchter Hitze geradezu erdrückt wird, bewegt man sich hier zwischen angenehmen 20 und 25 Grad, braucht niemals eine Klimaanlage, dafür des Nachts eine wärmende Decke. Allerorts sprießen bunte Blumen, rauschen Wasserfälle und surren Kolibris. Kein Wunder, dass es etliche US-amerikanische Pensionisten Großvater Peterson gleichtun und hier ihren Lebensabend verbringen.

Rachel und Daniel Peterson wollten ihre Kaffeplantage in Panama schon zusperren, als sie durch Zufall die Sorte Geisha entdeckten. Die bringt ihnen nun internationalen Ruhm und Rekordpreise ein.
Foto: Georges Desrues

Mitte der 1970er übernahm dann Rudolphs Sohn Price die Farm. Er gab sein Professorenamt an einer Universität auf, übersiedelte mit seiner Frau und den beiden Kleinkindern auf die Hacienda und widmete sich von nun an nur mehr der Viehzucht und dem Kaffeeanbau. Bald darauf errichtete er eine Anlage zur Verarbeitung und Verpackung der Bohnen. Mittlerweile haben seine Kinder Rachel und Daniel den Betrieb übernommen.

In ihrem Büro über dem Lager mit gestapelten Leinensäcken voller Kaffeebohnen veranstalten sie ein Cupping, wie man die professionelle Verkostung von Kaffee nennt. Dafür werden die frischen Bohnen in einer Miniaturmaschine geröstet, zermahlen und in speziellen Tassen mit heißem Wasser aufgegossen. "Fürs Cupping werden die Bohnen nur sehr schonend geröstet, weil im Unterschied zu Handelsware weder ein Karamellisieren noch zu viel Körper erwünscht ist, damit sich die Aromen besser entfalten können", erklärt Daniel. Währenddessen gießt Rachel die verschiedenen Bohnensorten mit Wasser auf. In einer ersten Runde soll der Geisha mit zwei anderen Sorten verglichen werden. Man ist konzentriert.

Noten von Tee

Mit Kaffee, wie man ihn gewohnt ist, hat der Geisha kaum etwas zu tun. Schon der Geruch ist verwirrend, statt heftiger und verführerischer Röstaromen steigen blumige und fruchtige Noten auf, wie man sie viel eher von einem kräftigen Tee als von Kaffee erwarten würde. Ungewohnt weiter geht es am Gaumen, wo der Geschmack sich zwar ausbreitet und lange anhält, dabei aber fast gänzlich die Wucht von Kaffee vermissen lässt. Man denkt an Schwarztee, aber auch an Früchtetees wie etwa Grapefruit, dazu Waldbeeren und ein Hauch von intensiven Gewürzen wie beispielsweise Koriander oder Zimt – und an noch viel mehr. Tatsächlich scheint die Liste der Aromen, die einem in den Sinn kommen, nahezu endlos fortsetzbar.

Obwohl die Qualität und die Aromenvielfalt des Geishas offenkundig sind, bleibt man als Gewohnheitskaffeetrinker etwas ratlos zurück, und das sogar nach der Verkostung einer handelsüblichen, intensiveren Röstung als jener, die für das Cupping gedacht ist. Allzu saftig und schmeichelnd ist der Körper des Getränks, etwas zu kraftlos das Mundgefühl, zu intensiv die blumigen Noten, als dass man sich vorstellen könnte, so einen Kaffee täglich zu trinken. Dann ist da noch sein extrem hoher Preis, der, selbst wenn er nicht den Rekord von 600 Dollar erreicht, noch bei durchschnittlich 80 Dollar für ein Pfund (rund 165 Euro pro Kilo) liegt. Und das ab Hof!

Geisha ist nicht für Espresso geeignet, ...
Foto: Georges Desrues

Um Espresso daraus zu machen, sei die Sorte gänzlich ungeeignet, betont Rachel Peterson, den Geisha genieße man am besten als Filterkaffee, und zwar ganz langsam aufgegossen. "Natürlich ist er ein absolutes Nischenprodukt, das an Spezialisten und Liebhaber gerichtet ist, die sich intensiv mit Kaffee, seiner Geschmacks- und Sortenvielfalt, seinem Terroir und Potenzial beschäftigen wollen", sagt sie.

Deswegen überrascht es auch kaum, dass die Sorte in Asien überdurchschnittlich gut ankommt – in traditionellen Teeländern also wie China und Japan, wo die Kaffeekultur teilweise noch in den Kinderschuhen steckt. Und wo man augenscheinlich offener ist für einen Kaffee, der von seinem Aromabild eigentlich mehr an einen Tee erinnert. "Ich denke schon, dass ihn viele Asiaten bewusst oder unbewusst mit Tee vergleichen und deswegen so darauf abfahren", bestätigt Peterson.

Und dann gesteht sie noch, dass vor allem in Japan ein weiteres Argument für den hohen Absatz von Geisha sorgt. Die Kunden dort mögen nämlich ganz einfach den vertrauten Namen. (Georges Desrues, RONDO, 25.2.2017)

... sondern wird am besten als Filterkaffee genossen.
Foto: Georges Desrues