Ohrenschlüpfer fühlen sich im Ohr nicht wohler als andere Insekten – auch wenn ihr Name eine andere Vermutung nahelegt.

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Es war eine aufsehenerregende Nachricht, die vor einigen Tagen um die Welt ging: In Indien ist einer Frau, wie berichtet, im Schlaf eine Kakerlake in die Nase gekrochen. Die Frau suchte nach einigen Tagen wegen Juckreizes hinter dem Auge einen Arzt auf. Dieser holte das noch lebende Tierchen schließlich aus der Nase der verwunderten Patientin.

Die Wiener HNO-Ärztin Eva Österreicher kann sich nicht so recht vorstellen, wie ein solches Insekt einem Menschen unbemerkt in die Nase kriechen kann. Urlauber würden aus exotischen Ländern jedoch auf diese Art und Weise manchmal ein anderes Tier mit nach Hause bringen: "Es gibt Bandwürmer, die durch die Nase kriechen und sich dann durch die Periorbita, einen dünnen Knochen zwischen Nase und Auge, bohren", erzählt Österreicher.

Im Fettgewebe der Augenhöhle legen sie dann ihre Eier und können dort Entzündungen auslösen. "Betroffene klagen dann über Sehstörungen", erzählt die Ärztin. Im Krankenhaus werden die Würmer mit dem Endoskop über die Nase entfernt. "Aber das ist so selten, dass solche Fälle auf Konferenzen vorgestellt werden."

Spinnen, Wespen, Zecken

Besonders auf dem Land hat die HNO-Ärztin aber schon allerhand Insekten in den Ohren von Patienten gefunden: "Einmal ist einer Patientin eine Wespe ins Ohr geflogen und hat sie dann gestochen", erzählt sie. Aber auch Patienten mit vollgesaugten Zecken im Gehörgang waren schon bei ihr. Selbst Spinnen, die den Betroffenen im Schlaf ins Ohr gekrabbelt und dort verendet sein dürften, hat Österreicher schon aus den Ohren von Patienten geholt.

Wer ein Insekt im Ohr hat, klagt meist über ein Fremdkörpergefühl. Sofern das Tier noch lebe und sich bewege, falle die Eigendiagnose recht eindeutig aus, meint Österreicher: "Die Leute kommen und sagen: Ich habe da etwas im Ohr, da bewegt sich etwas." Sie rät Betroffenen dringend davon ab, zu versuchen, sich das Insekt selbst zu entfernen: "Mit Wattestäbchen schiebt man die Tiere noch weiter hinein."

Keine Ohrwürmer

Auch von Tipps und Tricks, die im Internet kursieren – etwa dass man mit einer Taschenlampe ins Ohr leuchten soll, um das Insekt, sofern es noch lebt, aus dem Ohr zur Lichtquelle zu locken, oder Olivenöl ins Ohr träufelt –, hält sie nichts. Beim Arzt werden die Tiere fachgerecht und unter Zuhilfenahme eines Mikroskops entfernt – entweder mittels Pinzette oder Ohrspülung. Von Spinnen und Wespen abgesehen sind Insekten im Ohr laut Österreicher ungefährlich, eine Verletzung des Trommelfells ist unwahrscheinlich.

Ohrenschlüpfer kommen Österreicher in den Ohren der Österreicher jedenfalls so gut wie nie unter. Der Name ist nämlich irreführend und eigentlich darauf zurückzuführen, dass die Tierchen in der Antike angeblich zerrieben und für die Behandlung von Ohrenschmerzen und Taubheit verwendet wurden. (zof, 21.2.2017)