Der von Stararchitekt Jean Nouvel entworfene Design-Tower soll zum leuchtenden Symbol der Wiener Start-up-Wirtschaft werden.

Foto: Sofitel Vienna / Trillard

Wien – Es fehlt am Geld. Fragt man in der Start-up-Szene, wie es läuft, hört man das nicht selten. Start-ups, so die gängige und etwas vage Definition, das sind junge Unternehmen, die schnelles Wachstum anstreben und innovativ sind. Schwammig oder nicht, die vielversprechenden Unternehmen sitzen oft auf dem Trockenen. Es mangelt an risikobereiten Investoren und deren Kapital.

Laut einer Studie der Modul University Vienna stehen Start-ups im europäischen Durchschnitt zehnmal mehr privates Investitionskapital zur Verfügung als in Wien. Das ist ein Grund dafür, wieso in Österreich pro Jahr weniger als 1000 von ihnen gegründet werden.

Leuchtturm in bester Lage

Weil Risikokapital in Österreich so rar ist, müssen Geldgeber aus dem Ausland her, will Wien zu einem bedeutenden Standort für Zukunftsbranchen werden – und Wien will. Derzeit sind mehrere große Start-up-Zentren im Entstehen, die mit städtischen Mitteln gefördert werden. Gründer sollen darin Arbeitsplätze sowie Zugang zu Beratung bekommen. Solche "Leuchtturmprojekte" sollen Investoren und Know-how ins Land holen.

Mit dem Projekt weXelerate entsteht auf 8.000 Quadratmeter Fläche Österreichs größte Infrastruktureinrichtung für innovative Unternehmen bald tatsächlich in einem Turm – im Design-Tower am Donaukanal, in dem auch das Fünf-Sterne-Hotel Sofitel residiert.

In den untersten vier Stockwerken, wo momentan noch das Luxuseinrichtungshaus Stilwerk eingemietet ist, sollen ab Herbst Gründer aus dem Hightech-, Medien- und Finanzbereich über ihren Laptops brüten.

Dabei gehe es nicht um die Zurverfügungstellung einer Immobilie für Start-ups, sagt Hassen Kirmaci, Geschäftsführer und Mehrheitseigentümer der weXelerate GmbH. Stattdessen sollen diese mit bestehenden Großunternehmen vernetzt werden.

Progressiver Mieter

Zu diesen Partnern gehört auch Uniqa, Eigentümer des Design-Towers. Noch im Sommer wollte die Versicherung verkaufen, erhielt aber keine entsprechenden Angebote. Uniqa-Sprecher Nobert Heller sagte dem STANDARD, die Entscheidung gegen einen Verkauf stehe in keinem Zusammenhang mit dem Mieterwechsel.

Laut Kirmaci ist eine "progressive Miete" vereinbart: Zu Beginn werde ein Nachlass gewährt, erst nach einer gewissen Zeit erhöhe sich die Miete auf die Normalhöhe. Details nannte Kirmaci nicht. Das Projekt wäre aber auch ohne den Nachlass umgesetzt worden, so der Geschäftsführer.

WeXelerate wird von der Wirtschaftsagentur Wien mit knapp 280.000 Euro gefördert. Das Geld kommt aus einem Topf für Unternehmen, die Start-ups fördern und beraten.

Beratend tätig für das geplante Zentrum selbst ist Eveline Steinberger-Kern, Gründerin der auf Start-up-Initiativen spezialisierten Blue Minds Company und Ehefrau von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Die FPÖ ortete einen Zusammenhang mit geplanten Erleichterungen für Start-ups und eine "Initiative von Kern für Steinberger-Kern". Die Unternehmerin stellte daraufhin klar, sie erhalte kein Geld für ihre Tätigkeit für weXelerate und sei an den involvierten Firmen nicht beteiligt. Die Vorwürfe der FPÖ gehen insofern ins Leere, als dass das Förderprogramm lange vor Kerns Amtseinführung aufgesetzt wurde.

Mehrere Standorte

Ein zweites großes Start-up-Zentrum entsteht im 9. Wiener Bezirk. Träger ist das italienische Unternehmen Talent Garden, das solche Campus-Standorte bereits in sechs anderen europäischen Ländern betreibt. Wichtigster Partner ist die Telekom Austria, die die 5.000 Quadratmeter große Fläche zur Verfügung stellt, auf der 500 Arbeitsplätze für Gründer und Dienstleister entstehen.

Auch dieses Projekt wird von der Wirtschaftsagentur gefördert (mit 330.000 Euro) – ebenso wie die alte Rinderhalle in Wiener Stadtteil Marx (mit 400.000 Euro). Bei dem momentan als Veranstaltungshalle genutzten Standort läuft die Suche nach Investoren, die dort Infrastruktur für Unternehmen aufbauen sollen, darunter auch ein eigener Bereich für zahlreiche Start-ups. Schon jetzt gibt es in einem anderen Teil des Marx-Areals Büroräume, die an Start-ups vermietet werden.

Sowohl die Proponenten der Projekte am Donaukanal sowie im 9. Bezirk, als auch eine Sprecherin der Wirtschaftsagentur Wien betonen auf Anfrage, die verschiedenen Projekte stünden nicht in Konkurrenz zueinander, sondern würden sich ergänzen. Ähnlich Mario Scalet, Sprecher der Wiener Standortentwicklung GmbH, die für die Stadt die Entwicklung des Standorts Marx über hat: "Wir sehen das sehr befruchtend und nicht als Konkurrenz." Ob das Projekt weXelerate gut in die Rinderhalle gepasst hätte, könne er ohne Einsicht in die Projektunterlagen nicht sagen.

Zentren "extrem wichtig"

Für Nikolaus Franke, Vorstand am Institut für Entrepreneurship und Innovation der Wirtschaftsuni Wien, besteht keine Gefahr, dass die geplanten Start-up-Zentren keine Mieter finden. "Diese Zentren sind extrem wichtig. In der frühen Gründungsphase besteht viel Unsicherheit. Die Gründer brauchen daher Ressourcen wie Beratung und Infrastruktur. Das und den Zugang zur Gründerszene bekommt man in den Zentren schnell und unkompliziert."

Der Bedarf an Wachstumskapital komme typischerweise erst später im Lebenszyklus eines Start-ups, erklärt Franke. Auch er bestätigt, das Risikokapital rar ist: "Da haben wir strukturelle Nachteile." Zu wenig Unterstützung gebe es aber vor allem am anderen Ende der Entstehungsgeschichte, nämlich ganz zu Beginn. "Nur ein einstelliger Prozentanteil der Akademiker erwägt überhaupt, ein Unternehmen zu gründen. Wir bräuchten in Wien nicht 30 oder 50 vielversprechende Start-ups pro Jahr, sondern 500 oder 1.000." Nur die wenigsten würden schließlich tatsächlich zu erfolgreichen und Job-intensiven Unternehmen heranwachsen. Je mehr Gründungen, desto höher die Chancen. "Wer eine gute Ernte haben will, darf nicht einzelne Halme pflegen, sondern muss davor eine ganze Menge Samenkörner ausstreuen." (Simon Moser, 18.2.2017)