Die Achillessehne verbindet Fersenbein und Wadenmuskel.

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Gehen, laufen, rennen – jede Bewegung des Fußes zerrt an der Achillessehne. Bei Sprüngen kann die Belastung das Zehnfache des Körpergewichts betragen. Erstaunlicherweise hält die Verbindung zwischen Fersenbein und Achillessehne diesen enormen Kräften stand. Warum, das hat ein interdisziplinäres Team aus Medizin, Physik, Chemie und Ingenieurwissenschaften an der Technischen Universität München (TUM) herausgefunden.

Die Achillessehne ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers. Sie verbindet Fersenbein und Wadenmuskel und hält bis zum Zehnfachen des Körpergewichts aus. Benannt ist sie nach dem – fast – unverletzbaren griechischen Helden Achilleus, dem ein Pfeilschuss in die Ferse zum Verhängnis wurde.

"Obwohl in der Orthopädie tagtäglich Patienten mit Sehnenverletzungen behandelt werden, wissen wir noch immer sehr wenig über den genauen feingeweblichen Aufbau am direkten Übergang von der Sehne zum Knochen: Die biochemischen Vorgänge, die Mikromechanik und die Mikrostruktur des Gewebes sind bisher kaum erforscht", sagt Rainer Burgkart, Oberarzt und Forschungsleiter am Lehrstuhl für Orthopädie und Sportorthopädie der TUM.

Dünne Fasern

Zwischen Sehnen und Knochen entdeckten die Experten eine Gewebeschicht, die aus extrem dünnen Proteinfasern besteht und für eine extrem hohe Stabilität sorgt. Menschen sind daher in der Lage, über Hürden zu springen, hohe Sprünge und harte Landungen zu machen, ohne dass die Verbindung zwischen Sehne und Fersenbein Schaden nimmt. Tatsächlich reißt eher die Sehne, als dass sich die Verbindung zum Knochengewebe löst."

Dass die Sehnen direkt am Knochen ansetzen, das war bislang die Annahme. Tatsächlich gibt es jedoch einen Übergangsbereich. Hier spleißt sich das Sehnengewebe auf in Dutzende von feinen Fasern mit einer ganz charakteristischen biochemischen Zusammensetzung", erklärt Andreas Bausch, Inhaber des Lehrstuhls für Zellbiophysik und Leiter der Forschungsgruppe. "Die dünnen Fasern sind fest in der zerklüfteten Oberfläche des Knochens verankert und mechanisch äußerst belastbar."

Entdeckt wurden die feinen Fasern durch einen neuen, interdisziplinären Forschungsansatz, verschiedene medizinische, physikalische und ingenieurwissenschaftliche Verfahren wurden kombiniert. Ein Stück Schweineknochen mit Sehne, in der Orthopädie sorgfältig präpariert, wurde am Lehrstuhl für Zellbiophysik in eine Apparatur eingespannt und fixiert. Dann richteten die Forscher das Mikroskop auf die Grenzschicht, entlang derer die Sehne mit dem Knochen verwachsen ist. Mit Hilfe der Multiskalen-Mikroskopie-Technik wurden Dutzende von Aufnahmen erstellt und digital zu einem großen Bild zusammengeführt. "Auf diese Weise konnten wir die Struktur der feinen, aufgespleißten Fasern sichtbar machen", berichtet Bausch.

Fasern stabilisieren

Im nächsten Schritt verwendete das Team fluoreszierende Antikörper, um bestimmte Proteine zum Leuchten zu bringen. Hier zeigte sich, dass die dünnen Fasern eine andere biochemische Zusammensetzung haben als die eigentliche Sehne. Im dritten Teil des Experiments bewegten sie die Sehne unter Belastung hin und her und filmten dabei die Fasern. Das Ergebnis: Je nach Belastungsrichtungen sind unterschiedliche Fasern aktiv und stabilisieren den Kontakt.

Ergänzt wurden die lichtmikroskopischen Untersuchungen durch besonders hochauflösende Bilder eines Elektronenmikroskops. Mitarbeiter des Lehrstuhls für Medizinische Biophysik setzten außerdem einen Mikro-Computertomographen ein, mit dem sich die Grenzregion dreidimensional darstellen ließ. Am Lehrstuhl für organische Chemie wurden die unterschiedlichen Proteine in Sehnen und Übergangsfasern analysiert.

"Unsere Ergebnisse erlauben es erstmals, die biochemischen und biomechanischen Prozesse in der Kontaktzone zwischen Knochen und Sehne zu verstehen, die unserem Bewegungsapparat seine enorme Stabilität verleihen", resümiert Bausch.

Mögliche Anwendungen ergeben sich sowohl in der Materialforschung als auch in der Medizin: Ingenieurtechnisch könnten innovative Verbindungen zwischen festen und weichen Stoffen hergestellt werden. Und in der Orthopädie sollen die Erkenntnisse genutzt werden, um künftig in der Tumorchirurgie Sehnen an Implantate zu fixieren. (red, idw, 1.3.2017)