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Erdoğan-Propaganda auf dem Taksim-Platz in Istanbul.

Foto: Reuters / Sezer

Brüssel/Berlin/Ankara – Die Worte kamen spät, dafür waren sie klar. EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker haben am Mittwoch den Niederlanden die Solidarität im Streit mit der Türkei versichert. Juncker nannte die Vergleiche der Niederlande mit dem Nazi-Regime, die der türkische Präsident Tayyip Erdoğan am Wochenende angestellt hatte, "inakzeptabel". Die Türkei verschlechtere so ihre Beitrittsperspektive: "Die EU tritt nicht der Türkei bei, die Türkei tritt der EU bei."

Donald Tusk

Auch Tusk fand deutliche Worte. "Die Niederlande sind Europa, und Europa sind die Niederlande, ein Ort der Freiheit und der Demokratie", sagte er zunächst auf Englisch und anschließend noch einmal auf Niederländisch. Rotterdam sei von den Nazis brutal zerstört worden, der Bürgermeister der Stadt sei in Marokko geboren. "Das hat nichts mit Faschismus zu tun. Wir sind alle solidarisch mit den Niederlanden."

"8.000 Bosniaken massakriert"

In Rotterdam waren am Wochenende Pro-Erdoğan-Demonstranten mit Sicherheitskräften zusammengestoßen, nachdem die niederländische Regierung dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu die Landeerlaubnis entzogen und die türkische Familienministerin Betül Sayan Kaya des Landes verwiesen hatte. Beide hatten gegen den Willen Den Haags geplant, Wahlkampfauftritte für ein Ja zum Verfassungsreferendum Mitte April zu absolvieren.

Erdoğan hatte daraufhin die Niederlande mit den Nazis verglichen. Auch andere europäische Staaten seien ihnen ähnlich. Außerdem sagte er am Dienstag, niederländische Soldaten hätten 1995 beim Massaker von Srebrenica 8.000 Bosniaken massakriert.

"Ganze Uno gleichermaßen schuld"

Das wies am Mittwoch auch der frühere bosniakische Bürgermeister Srebrenicas, Ćamil Duraković, zurück. Erdoğan missbrauche das Massaker, das bosnisch-serbische Truppen verübt hatten. Die Vorwürfe gegen die Niederlande seien auch faktisch nicht korrekt. Zwar hätten die niederländischen Uno-Soldaten, die damals in Srebrenica stationiert waren, das Massaker in der Uno-Schutzzone nicht verhindern können. Dafür seien aber nicht sie selbst, sondern "alle Uno-Staaten gleichermaßen" verantwortlich.

Die aggressiven Töne aus Ankara haben auch in Berlin zu einem Umdenken geführt. Vor kurzem noch hatte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel erklärt, der Bund werde keine Einreiseverbote gegenüber türkischen Politikern aussprechen, die in Deutschland für das Verfassungsreferendum werben wollen.

Berlin: Keine Freikarte

Doch nun betont Kanzleramtschef Peter Altmaier, die deutsche Haltung sei keine Freikarte. "Ein Einreiseverbot wäre das letzte Mittel. Das behalten wir uns vor", so Altmaier. Denn: "Auch Deutschland hat eine Ehre."

Ungeachtet der Differenzen genehmigt Berlin 13 Wahllokale für das türkische Referendum in Deutschland. Laut "Spiegel online" wird das aber an Bedingungen geknüpft. Die deutsche Regierung erwartet von der türkischen Seite eine zuverlässige und konstruktive Zusammenarbeit in allen Fragen der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen und besonders bei Angelegenheiten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter müssen zuvor angekündigt werden. Sollte sich die Türkei nicht daran halten, will Deutschland die Genehmigung für die Wahllokale zurückziehen. (mesc, bau, 15.3.2017)