Bild nicht mehr verfügbar.

In der Öffentlichkeit gibt es ein Bewusstsein für mögliche genetische Risikofaktoren für Brustkrebs, Stars wie Angelina Jolie haben dazu beigetragen.

Foto: AP

Junge Frauen mit lokal invasivem Krebs in einer Brust lassen sich zunehmend häufiger prophylaktisch auch die andere, gesunde Brust abnehmen. Dabei gibt es keine Evidenz, dass diese Mastektomie einen lebensverlängernden Effekt hat. Die zunehmende Häufigkeit der Operation zeigt eine Studie aus den USA, in der die regionalen Unterschiede des Eingriffs in den Jahren 2004 bis 2012 untersucht wurden und die nun im Fachjournal JAMA Surgery veröffentlicht wird.

"Der Anstieg geht einher mit einer zunehmenden Kenntnis über mögliche genetische Risikofaktoren für Brustkrebs, die durch das Outing berühmter Personen wie Angelina Jolie vorangetrieben wurden. Denn die Risikogene BRCA1 und BRCA2 begünstigen auch das Risiko für die Entstehung eines zweiten Brustkrebses in der kontralateralen Brust", sagt dazu Rita Schmutzler, Direktorin des Zentrums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs des Universitätsklinikums Köln. Daher sei bei diesen Patientinnen tatsächlich eine kontralaterale Brustdrüsenentfernung unter Berücksichtigung der Prognose des Erstkarzinoms in Erwägung zu ziehen.

"Allerdings", so Schmutzler weiter, "wird nur in einem Bruchteil der Familien mit gehäuftem Auftreten von Brustkrebs auch tatsächlich eine genetische Veränderung in diesen beiden Hochrisikogenen gefunden." Von vielen Betroffenen werde in der Folge jedoch fälschlicherweise angenommen, dass die Zweiterkrankungsrisiken in den BRCA1/2 negativen Familien ähnlich hoch seien und der konkrete Gendefekt nur noch gefunden werden muss. Dieser Annahmen wiedersprachen jedoch schon vor Jahren epidemiologische Daten des deutschen Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs, so die Expertin.

Moderat erhöhtes Risiko

"Eine umfangreiche Auswertung der prospektiven Inzidenzraten für das Zweitkarzinom zeigten nämlich, dass die BRCA1/2 negativen Patientinnen trotz familiärer Belastung ein deutlich niedrigeres Risiko haben, an einem kontralateralen Zweitkarzinom zu erkranken als die BRCA1/2 Mutationsträgerinnen", so Schmutzler. Die wahrscheinlichste Erklärung war, dass die noch unbekannten Risikogene ein niedrigeres Risiko vermitteln. Dies konnte in jüngster Zeit durch die Identifizierung neuer Risikogene mittels genomweiter Analysen bestätigt werden – das heißt, die überwiegende Zahl der neuerdings identifizierten Risikogene und Risikoloci vermittelt ein nur wenig bis moderat erhöhtes Risiko.

In Deutschland seien diese Ergebnisse über die vergangenen Jahre hinweg intensiv kommuniziert und in führende Leitlinien eingebracht worden. "Es scheint, als dass dadurch eine unreflektierte und nicht evidenzbasierte Übertherapie im Ausmaß wie in den USA vermieden werden konnte", glaubt Schmutzler. (red, 29.3.2017)