Astrid Lindgrens Romanfigur Pippi Langstrumpf, die alleine ohne Eltern wohnt, prägte Generationen von Heranwachsenden.

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Leipzig – Heidi, Pippi Langstrumpf und Harry Potter haben es vorgemacht, ohne es an die große Glocke zu hängen: Familien sind mehr als das sprichwörtliche Bilderbuchidyll Vater, Mutter, Kind. Harry Potters Eltern sind tot, er wird adoptiert und lebt im Kasten. Pippis Papa ist fern und sie erzieht sich quasi selbst – und Heidi wächst beim eigenbrötlerischen Großvater auf.

Seit Neuestem ist die ganze Palette von Familienentwürfen eines der Top-Themen für Kinder- und Jugendbuchverlage. Doch funktioniert das bei Eltern und Kindern – und wie vermittelt man das ganze Spektrum richtig?

Junge Leserinnen und Leser sind gnadenlos

Manches funktioniere nicht, sagt die deutsche Buchhändlerin Birgit Schollmeyer. Ihr Beispielbuch: "George" über einen Buben, der sich eigentlich als Mädchen fühlt. Ihre jungen Leser hätten es einfach gnadenlos weggelegt. "Da habe ich mich schon gefragt: Ist das nicht eigentlich für Erwachsene geschrieben?"

Die ganze Palette heutiger Familienwirklichkeit von alleinerziehenden Eltern, über Patchwork bis hin zu Regenbogenfamilien, wird immer mehr thematisiert. Neben dem Fantasy-Trend gehörten die veränderten Lebensrealitäten zu den großen aktuellen Themen in den Büchern für junge Leserinnen und Leser, teilt auch die deutsche Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen mit.

Stadt-Land-Gefälle beim Wunsch nach Diversität

Ob die Bücher bei den jungen Leserinnen und Lesern ankommen, hänge stark von der Lebensrealität der Kinder ab, sagt Buchhändlerin Schollmeyer. So gebe es ein merkliches Stadt-Land-Gefälle. In den großen Städten wünschten sich junge Leserinnen und Leser zum Beispiel nicht nur Weiße, sondern auch mehr Menschen mit anderer Hautfarbe als Protagonisten – da sie diese Realität täglich erleben. In Kleinstädten und in Dörfern verkauften sich Bücher zu neuen Familienkonstellationen hingegen nicht so gut.

Die jungen Leserinnen und Leser wünschen sich durchaus Bücher, die Probleme behandeln, sagt Bloggerin Stefanie Leo, die seit vielen Jahren ein Kinderbuchportal betreibt. Allerdings forderten sie oft auch Humor ein – und ein Happy End. "Sie wollen glaubhafte Lösungen für die geschilderten Probleme haben."

"Riesenwunsch nach Orientierung"

Neben Bestsellern wie "Gregs Tagebuch" werden auch aktuelle politische und gesellschaftliche Themen behandelt, sagt die Journalistin Katrin Hörnlein. Sie ist die Jury-Vorsitzende des deutschen Kinder- und Jugendbuchpreises "Luchs". Gerade Preise und Auszeichnungen könnten bei der richtigen Auswahl im riesigen Angebot helfen. "Es gibt einen Riesenwunsch nach Orientierung", glaubt Hörnlein.

Doch wie erzählt man vom ganzen Spektrum an Lebenswirklichkeiten? Der Journalist Ralf Schweikart plädiert für die Pippi-Langstrumpf-Lösung: "Da schwingt das einfach mit. Das hat uns beim Lesen nie gestört, dass da keine vollständige Familie ist. Aber es steht im Subtext." (APA, red, 30.3.2017)