Radfahren kann jeder. Spinning kann hingegen eine ziemliche Herausforderung sein.

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Günther Brandstetter muss sich mit Gesundheit beschäftigen. Das ist sein Beruf. Dazu gehört auch, Neues auszuprobieren.

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Bewegung ist wichtig, besonders wenn der Job das Sitzfleisch strapaziert. Das Problem: Ich mag es nach der Arbeit gemütlich: Gutes Essen, ein Bier dazu, manchmal auch zwei. Danach ein schöner Film, manchmal auch zwei. Was ich noch brauche: mindestens sieben, acht Stunden Schlaf.

Zeit für körperliche Anstrengung bleibt da nur am Wochenende. Was so viel heißt wie: Stundenlang am Spielplatz mit der dreijährigen Tochter auf dem Klettergerüst herumkraxeln, durch Wald und Wiesen springen, in der Sandkiste wühlen, das erschöpfte Kind auf den Schultern nachhause tragen. Das ist sichtlich zu wenig, denn der Bauch, den die Gemütlichkeit geboren hat, will nicht kleiner werden. Meinem Kollegen vom Rondo geht es ähnlich, schließlich ist er allein schon berufsbedingt den lukullischen Genüssen nicht abgeneigt.

Unsere redaktionelle Fitness- und Immobilienexpertin schwört auf Spinning der extremen Art. Im Dunkeln, mit schweißtreibender Musik, die einem die Wadeln nach vorne richten soll. Mein Rondo-Kollege und ich lassen uns überreden. Klingt ja irgendwie spaßig, und Radeln kann schließlich jeder.

Ziemlich taktlos

Es ist soweit: Ein etwa 30 Quadratmeter großer Raum. Ohne Tageslicht, die Wände schwarz gestrichen, vorne und an der rechten Seite sind Spiegel montiert – sehr große Spiegel, damit man sich in seiner ganzen Herrlichkeit betrachten kann. An der Decke dreht sich einsam eine Discokugel. Vorne, auf einem kleinen Podest, steht ein Spinning-Rad. (Wie heißt das eigentlich korrekt: ein Spinner?) Darauf nimmt Zeremonienmeister Lukas Platz. Ein bärtiger, muskulöser Mann der Kategorie "null Körperfett". Flankiert von zwei kleinen Lichtern. Das wirkt schon fast romantisch. Was noch beruhigt: Die anderen Fitnesswilligen sehen teilweise auch nicht superfit aus.

Es kann losgehen. Die Eröffnung macht Elton John mit dem Titelsong aus "König der Löwen". Wir sollen die Musik spüren, zu uns finden, Stress und Arbeit hinter uns lassen, sagt Lukas. Natürlich in Englisch, schließlich kommt der Trend aus den USA. Gemütlich treten wir in die Pedale. Ganz nach meinem Geschmack, nur nicht hudeln, schön gemächlich. Das sollte sich schnell ändern. Raus aus der kommoden Sitzposition, jetzt wird stehend gestrampelt. Kein Problem, das kenne ich noch von früher – als ich im noch jugendlichen Alter mit dem Fahrrad einen Berg bezwingen wollte.

Was anschließend folgt, ist allerdings neu. Hände am Lenker, Ellenbogen nach außen und Oberkörper runter. Liegestütz auf dem Rad sozusagen. Vor und zurück, im Rhythmus von Fatboy Slim (wie treffend!). Alle wirken synchron, wie aus einem Guss, nur mein Kollege und ich sind aus dem Takt, taktlos sozusagen. Das größte Problem: Die rasanten Bewegungswechsel, da kommt mein Hirn nicht mit.

Rien ne va plus

Es geht aber immer noch schlimmer. Neue Übung: Oberkörper vor und zurück und bei der Abwärtsbewegung abwechselnd nach rechts und links drehen. Und natürlich immer weiter treten. Es ist zum Heulen, Michael Jackson und Eros Ramazotti heulen mit.

Nach einer gefühlten Ewigkeit setzt die Gruppe zum finalen Spurt an. "Freestyler" von den Bomfunk MC's lässt nichts Gutes erahnen. "Faster, faster, come on", brüllt der Zeremonienmeister. Rondo und ich blicken uns ratlos an. Während die anderen zur Tour de Force ansetzen, radeln mein Kollege und ich gemütlich durch die Ebenen des Burgenlands. Die Oberschenkel brennen, "rien ne va plus", nichts geht mehr.

Trotzdem fühle ich mich gut. Wir werden das demnächst wiederholen, lautet unser Resümee. Das Beste zum Schluss: Wildschweinfilet mit Erdäpfeln und warmen Krautsalat. Dazu ein Bier. (Günther Brandstetter, 2.4.2017)