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Intellektueller mit Hang zur Öffentlichkeit: CEU-Rektor Michael Ignatieff.

Foto: reuters

Keine Sekunde werde seine Uni schließen. Sie werde weitermachen – egal, was passiert. Michael Ignatieff, Rektor der Budapester Central European University, hat nicht vor, klein beizugeben im Kampf um "seine" Universität. Die ist derzeit gehörig in Bedrängnis, weil die Regierung Viktor Orbáns ein Gesetz gezimmert hat, das wohl das Ende dieser Hochschule – und nur dieser – wäre.

Ignatieff nennt das Ansinnen in Interviews einen "Akt von politischem Vandalismus". Er will die Angelegenheit auch nicht auf einen Zwist zwischen Viktor Orbán und Uni-Gründer George Soros reduzieren; es gehe um viel mehr – um die akademische Freiheit im Geiste der Liberalität, die durch Orbáns Gesetz massiv bedroht sei.

Hemdsärmelig und intellektuell

Man könnte Michael Ignatieff wohl einen hemdsärmeligen Intellektuellen nennen. Er ist kein scheuer Denker, der sich angesichts frecher rechtspopulistischer Attacken auf die akademische Metaebene zurückzieht. Der 1947 in Kanada geborene promovierte Historiker und Philosoph ist ein brillanter Rhetoriker. Und er kennt das politische Geschäft aus der Praxis. 2005 kehrte er nach Professuren und Lehrtätigkeiten an einigen der weltweit besten Universitäten, darunter Harvard und Cambridge, nach Kanada zurück, um Premierminister zu werden. Von 2006 bis 2011 saß er für die Liberalen im Parlament, ab 2009 als Parteivorsitzender.

In einer Videobotschaft bedankt sich Michael Ignatieff vor wenigen Tagen bei allen, die "den Kampf um die akademische Freiheit und den Verbleib der CEU in Ungarn" unterstützen.
Central European University

Illustre Abstammung

Der Wissenschafter Ignatieff war Politiker, Journalist und kommentierte etwa für die BBC. Er legte unzählige wissenschaftliche Sachbücher und sogar Romane vor. Auch die sozialen Medien beherrscht der Mann – seinem Twitter-Account folgen aktuell 96.000 Menschen. Ignatieffs familiärer Hintergrund ist gelinde gesagt illuster. Sein Vater war kanadischer Diplomat, Teile der Familie entstammen dem russischen Adel; sein Großvater etwa war Bildungsminister unter Zar Nikolaus II und liberaler Reformer. Im Stammbaum wimmelt es von Universitätsdekanen, Autorinnen und Philosophen. In zweiter Ehe ist Ignatieff mit der Ungarin Zsuzsanna Zsohar verheiratet, aus einer ersten stammen ein Sohn und eine Tochter.

Ignatieff ist Vertreter einer akademisch gebildeten bürgerlichen Oberschicht, die für unbedingte Liberalität eintritt. "Politik ist nicht nur die Kunst des Möglichen, sondern die Kunst des jetzt Möglichen", sagte er einmal. Er droht Orbán nicht damit, dass "seine Uni" aus Budapest wegzieht. Sondern damit, dass sie bleibt. (Lisa Mayr, 4.4.2017)