Über zehn Jahre lang betrieb die Münchner Stadtverwaltung die Umrüstung der Rechner in der öffentlichen Verwaltung auf Linux. Man entwickelte unter dem Titel "Limux" eine eigene Variante des freien Betriebssystems, angepasst an die städtischen Erfordernisse. Doch nach langen Diskussionen, heftigen politischen Zerwürfnissen und mehr oder weniger offenem Widerstand von Microsoft wurde im vergangenen Februar das Ende des Projekts eingeläutet. Die Stadt soll zu Windows zurückkehren.

Ein Schritt, der auch unter Experten für Kritik sorgt. Denn, so berichtet der Tagesspiegel, viele politische Administrationen in Europa setzen umfassend auf Microsoft-Produkte und begeben sich damit in mitunter teure Abhängigkeit vom US-Softwareriesen. Die EU-Kommission sieht sich selber gar "in effektiver Gefangenschaft" des Konzerns.

Anders hält man es in Vicenza. Die norditalienische Stadt mit 113.000 Einwohnern, 290 Kilometer südlich von München gelegen, hat vor einem Jahr den gegenteiligen Pfad beschritten. Im April 2016 kündigte man an, rund 700 Rechner in der öffentlichen Verwaltung künftig mit der Distribution Zorin OS anstelle von Windows laufen lassen zu wollen. Ein Jahr später zieht man gegenüber dem STANDARD ein positives Zwischenfazit.

Am Anfang war ein Schulprojekt

Ihren Ursprung fand das Projekt in der Initiative von Albano Battistella. Er installierte als freiwilliger Elternteil im Sommer 2015 Zorin auf 40 Rechnern im Computerlabor der Mittelschule Trissino, um dem Institut die Anschaffung neuer Hardware zu ersparen.

Die Rückmeldungen waren so positiv, dass sich schließlich auch die Stadtverwaltung zu einem Probelauf für das Ubuntu-Derivat mit an Windows angelehnter Oberfläche entschloss.

Erste Umstellungen vollzogen

Geleitet wird dieser von Filippo Zanetti, Stadtrat für Vereinfachung und Innovation. Er sieht den bisherigen Umstellungsprozess als "Erfolg", wenngleich er langsamer von statten geht, als ursprünglich erhofft. Ein Problem sei, dass die von der Stadt abgestellten Techniker nur relativ wenig Zeit hätten, um neue PCs mit dem System auszustatten.

Nach einem ersten, mehrwöchigen Testlauf wurden mittlerweile einige PCs in der öffentlichen Verwaltung mit Zorin OS ausgestattet, dazu auch sämtliche Arbeitsplätze im statistischen Bereich. Das Linux-System läuft außerdem auf den öffentlich zugänglichen Rechnern in der städtischen Bibliothek sowie dem Jugendinformations-Büro.

Stefano Spagnolo

Gutes Feedback neuer Nutzer

Etwa zehn Stunden investierte man während der ersten Experimentierphase in das Training der Teilnehmer, die allerdings bereits gute Informatikkenntnisse mitbrachten. Abseits einer allgemeinen Einführung sei keine spezielle Schulung notwendig gewesen. Seitdem zeigen sich immer wieder Nutzer positiv davon überrascht, dass unter Zorin vieles gleich oder sehr ähnlich zu handhaben ist, wie zuvor unter Windows. Lob gab es auch für die "angenehme grafische Oberfläche" und die Schnelligkeit des Systems.

Bei der Umstellung erhält man Unterstützung von den Entwicklern von Zorin OS, die unregelmäßig beratend zur Seite stehen. Die Zusammenarbeit ist allerdings rein informell, erläutert dazu Artyom Zorin, der namensgebende Erfinder von Zorin OS und Chef der Zorin Group, die ihr Geld unter anderem mit kommerziellem Support für Firmen verdient.

Mit Vicenza gibt es keine offiziellen Vereinbarungen oder bezahlten Service. Man sieht das Vorhaben in der "aufregendes Projekt", dem man gerne zur Seite stehe. Vor Ort greifen freiwillige Helfer der Stadt zusätzlich unter die Arme.

Einige Windows-Rechner bleiben erhalten

Allerdings wird nicht jeder PC in der Stadtverwaltung umgerüstet. Einige Rechner werden auch weiterhin mit Windows laufen.

Grund dafür ist, dass manche Programme – etwa Autodesk Autocad oder Microsoft Excel, bei dem man bestimmte Makrofunktionen benötigt – nicht Linux-kompatibel sind. Dazu nutzen auch die Einwohner mitunter Windows-Formate, die unter Zorin nicht geöffnet oder bearbeitet werden können.

Die Oberfläche von Zorin OS lehnt sich stark an Windows an.
Foto: Zorin OS

"Beachtliche Ersparnisse" erwartet

Kostentechnisch bilanziert das Projekt bislang neutral. Pro PC erspart man sich mit der Umstellung rund 300 Euro an Lizenzkosten für Windows und Office, die man allerdings in die Einrichtung von Zorin, Optimierungen und Schulungen reinvestiert.

Ist der Umstieg abgeschlossen, rechnet man allerdings langfristig mit "beachtlichen" Ersparnissen. Alleine durch den geringeren Anspruch an die Hardware rechnet man damit, die Lebensdauer der städtischen PCs um 30 bis 40 Prozent verlängern zu können, was die Anschaffungskosten für neue PCs erheblich senkt. Beziffern wollte man die erwarteten Spareffekte allerdings nicht.

"Politische und ethische Entscheidung"

Allerdings gehe es bei der Umstellung nicht hauptsächlich um Kostensenkung, betont Zanetti. Zorin OS soll auch in puncto Sicherheit Vorteile bringen, effizienteres Arbeiten durch bessere Performance ermöglichen und dank geringeren Größen für Updates auch die Netzwerkinfrastruktur entlasten. Dazu stehe das Projekt auch im Zeichen der "politischen und ethischen Entscheidung, so weit wie möglich auf Open Source-Software zu setzen".

Mit Qgis, Zimbra, Libreoffice und anderen Produkten nutzt Vicenza schon heute eine Reihe von quelloffenen Entwicklungen, sagt Zanetti. Dazu gibt es eine örtliche Linux User Group, die mit der Stadt zusammenarbeitet und regelmäßig Events zur Verbreitung von freier Software organisiert. (Georg Pichler, 17.04.2017)