Überall ist viel zu viel Zucker drin: Das macht Menschen auf Dauer krank. Der Insulinhaushalt entgleist.

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Wien – Österreich hat Diabetes: Rund 600.000 Menschen sind erkrankt, fast jeder kennt jemanden, der zuckerkrank ist. Mit einer neuen Strategie wollen Experten vorbeugen, Lebensdauer und -qualität von Erkrankten verbessern und darüber hinaus dem System Millionen ersparen. Zur Umsetzung ist jetzt das Gesundheitsministerium am Ball.

"Auf uns rollt ein Diabetes-Tsunami zu", konstatiert Hermann Toplak, Präsident der Österreichischen Diabetes-Gesellschaft (ÖDG). "Die Versorgung muss neu geplant werde, und dies erfordert ein neues Denken weit über das Gesundheitssystem hinaus und rasches Handeln auf mehreren Ebenen – ein Tsunami wartet nicht."

Die Strategie wurde im Auftrag des Gesundheitsministeriums mit mehr als 100 Stakeholdern entwickelt. Thomas C. Wascher war Leiter einer Arbeitsgruppe: "Die Sitzungen waren sehr arbeitsintensiv, weil allen daran gelegen war, einen umfassenden Blick auf das Thema zu richten. Darum zieht sich auch der Health-in-all-Policies-Ansatz (,Gesundheit in allen Politikfeldern', Anm.) als Grundgedanke durch den gesamten Text. Es geht darum, unsere Umwelt so zu gestalten, dass sie auf mehr physische Bewegung und gesündere Ernährung Lust macht."

Exorbitante Kosten

"Rund 600.000 Menschen in Österreich sind erkrankt. Diese Erkrankung betrifft alle Lebensbereiche vom Familienleben bis zur Arbeitswelt. Somit ist jeder Mensch in Österreich betroffen, da alle in ihrem Umfeld mit Betroffenen zu tun haben, in derselben Familie oder am selben Arbeitsplatz. Das Wissen über Risikofaktoren, Auswirkungen auf den Alltag, aber auch Komplikationen und spezifische Erste Hilfe ist in der Bevölkerung nicht ausreichend vorhanden", erklärt Harald Sourij von der klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Medizinischen Universität Graz. Die österreichische Diabetes-Strategie hat sich zwei übergeordnete Ziele gesetzt. Zum einen will man für alle in Österreich lebenden Menschen die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken, verringern, also auf Prävention setzen. Zum anderen sollen all jene, die schon erkrankt sind, so betreut sein, dass sie möglichst lange mit hoher Lebensqualität (kein Nierenschaden, keine Amputation) leben können.

Während in den Städten ein dichtes Versorgungsnetz vorhanden ist, haben es Patienten im ländlichen Bereich mitunter schwer, eine optimale Behandlung zu finden. Warum das sinnvoll ist, belegen Zahlen. Ein gut eingestellter Diabetiker kostet der Sozialversicherung etwa 3000 Euro pro Jahr. Ein suboptimal Eingestellter schlägt bereits mit 8000 Euro zu Buche. Ein schlecht eingestellter Zuckerkranker verursacht Kosten von 30.000 Euro im Jahr. Der Status quo: Von 600.000 Diabetikern sind nur zehn Prozent gut eingestellt. (Peter P. Hopfinger, 8.4.2017)