Ein Frühchen klammert sich mit seiner Hand an die Finger einer Krankenschwester. Forscher arbeiten an einem aus einem mit Fruchtwasser gefüllten Beutel bestehenden System, das erste Erfolge brachte.

Robert Newald

Philadelphia/Wien – Von dem, was Aldous Huxley 1932 in seinem dystopischen Klassiker Brave New World beschrieben hat, sind wir zum Glück noch weit entfernt: Da reifen in der Central London Hatchery menschliche Föten in künstlichen Gebärmüttern heran, um danach konditioniert zu werden.

Zwar machten Forscher in den letzten Jahrzehnten in Sachen Ektogenese etliche Fortschritte, die von einigen radikaleren Feministinnen übrigens begrüßt werden, da für diese die Schwangerschaft eine Art natürliche Ungerechtigkeit darstellt. Doch von der vollständigen Reifung eines Säugetierembryos außerhalb des Körpers sind wir noch weit entfernt.

Nichtsdestotrotz wird wieder verstärkt daran geforscht – etwa von einem Team um George Church, der nicht nur das Mammut wiedererschaffen will, sondern dafür auch noch auf eine Elefantenkuh verzichten will.

Neue "Brücke in die Welt"

Nicht ganz so radikale Ziele verfolgt ein Team um Emily Partridge am Children's Hospital in Philadelphia, das zu den führenden Forschungszentren in Sachen Neonatologie gehört. Die Mediziner entwickelten ein System, das Babys etwa ab der 23. Schwangerschaftswoche künftig "eine Brücke in die Welt" bieten soll und dafür die Bedingungen in der Gebärmutter bestmöglich nachahmt.

Im Fachblatt "Nature Communications" berichteten Partridge und Kollegen nun über erste Versuche mit dieser künstlichen Gebärmutter, die an Lämmern getestet wurde. Die acht Versuchstiere wurden nach einer Tragzeit von 105 bis 120 Tagen per Kaiserschnitt geboren – das entspricht dem Entwicklungsstand menschlicher Frühchen von 23 bis 24 Wochen.

Biobag gefüllt mit Fruchtwasser

Die Forscher schlossen die Nabelschnur der Lämmer dann schnellstmöglich über Kanülen an eine künstliche Plazenta an und betteten die Lämmer in einen Beutel. Dieser sogenannte Biobag ist mit künstlich erzeugtem Fruchtwasser gefüllt, das beständig ausgetauscht wird. Eine Besonderheit des Systems: Das Herz der Lämmer pumpt das Blut selbstständig über die Nabelschnur nach außen zu einer Maschine, welche die Aufgabe der Plazenta übernimmt.

Schematische Darstellung des "Biobags".
Foto: Children's Hospital of Philadelphia

Da das System ohne Pumpe auskommt, verringere sich das Risiko, dass das winzige kindliche Herz durch einen Überdruck geschädigt wird, schreiben die Forscher, von denen einige ein entsprechendes Patent angemeldet haben. Die Versuchstiere nahmen während ihrer "Beutelzeit", die drei bis vier Wochen betrug, keinen ersichtlichen Schaden, auch wenn es einige Komplikationen gab.

Anwendung beim Menschen dauert noch

Dennoch betont das Team um Partridge, dass die Experimente nicht unmittelbar auf menschliche Frühchen übertragen werden können. Menschliche Föten seien zum Beispiel deutlich kleiner als Lämmer zu einem vergleichbaren Entwicklungszeitpunkt, das System müsse daran angepasst werden. Auch die Gehirnentwicklung verlaufe beim Menschen anders. Fraglich sei bisher auch, wie die Verknüpfung zwischen Nabelschnur und Maschine bei menschlichen Babys erfolgen könnte.

Welche subtilen Entwicklungsstörungen nach einer längeren Entwicklungszeit von Föten außerhalb der mütterlichen Gebärmutter auftreten können, ist selbst bei Lämmern nicht erforscht, weil die Experimente nach vier Wochen im "Biobag" aus Tierschutzgründen abgebrochen wurden. Koautor Alan Flake schätzt deshalb, dass es noch etwa zehn Jahre dauern wird, bis extreme Frühchen auf diese Weise versorgt werden können. Die Forscher wollen dabei nicht Überlebensmöglichkeiten für immer kleinere Frühchen erhöhen. Vielmehr sollten die Bedingungen für jene Frühgeborenen verbessert werden, die auch heute schon in den Spitälern versorgt werden. (tasch/dpa, 25.4.2017)