Öffentlich verbirgt sich Razelli hinter einer Arnold-Schwarzenegger-Maske. So viel Trash muss sein.

Foto: Christian Fischer

Wien – Wer sich künstlerisch mit der Rhetorik eines Marko Arnautovic, Frank Stronach, Matthias Strolz oder ATV-Lovecoach Robert Nissel auseinandersetzt, hat mit Sicherheit eines begriffen: dass dieses verhältnismäßig kleine Land nebst zahlreichen Profihumoristen auch eine Menge unfreiwilliger Spaßvögel zu bieten hat.

Kurt Razelli setzt diesen unauffällig Auffälligen, den Sprücheklopfern, den Grätzel- und Welterklärern vom Parlament bis zum Gemeindebau kleine Denkmäler in Songform und stellt sie auf Youtube. In wenigen Jahren hat er damit Millionen von Klicks eingesammelt, knapp 10.000 Fans verfolgen seinen Kanal regelmäßig.

KURT RAZELLI

Sein Rohmaterial sichtet der 30-jährige Wiener entspannt zu Hause auf der Couch. Er findet es in skurrilen Interviews, wirren Parlamentsreden, verpatzten Livemomenten oder Perlen des Trash-TV. Die knackigsten Sager seiner Protagonisten sampelt er in Mehrfachwiederholung zu zwei- bis dreiminütigen Songs, die er mit selbstgebastelten Elektronikbeats auffettet. Geht es da etwa um Favoritner Migrantenkids aus Am Schauplatz, klingt das Werk nach 90er-Hip-Hop. Zu Ausschnitten aus FPÖ-Chef Heinz-Christian Straches Pressestunde mischt Razelli lieber billigen Acid-House. "Es muss eben passen", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD.

"Der emotionale Ausdruck meiner Protagonisten ist einmalig, den kann man nicht mehrfach im Studio aufnehmen, bis alles passt. Und diesen einen Moment der Emotion möchte ich veredeln, herausstreichen, 'verrazellin'."

KURT RAZELLI

Faszinosum Proletentum

Im Unterschied zu vielen anderen sogenannten "Mashup"-Künstlern legt der ausgebildete Tontechniker, der im Brotberuf Werbejingles herstellt, auch Wert auf eine klassische Songstruktur: "Gag-Intro oder Outro, Strophe, Refrain, das ist mir schon wichtig." Ein Razelli-Beat kommt auch nicht aus der Dose, er wird am Synthesizer und der Drummachine selbst komponiert.

Thematisch fasziniert Razelli das Proletoide, womit er sich in bester Gesellschaft mit Altersgenossen wie Voodoo Jürgens oder Stefanie Sargnagel befindet. Für die in ähnlichem Fahrwasser bekannt gewordenen Youtube-Satiriker und Liedermacher Seiler und Speer hat er auf Wunsch einen Remix ihrer Reihe Horvathslos gebastelt. "Wichtig ist uns, dass wir niemanden bloßstellen", sagt Razelli. "Es sind vielmehr Liebeserklärungen an das Proletoide. Mit vielen Aussagen meiner Protagonisten identifiziere ich mich ja sogar."

KURT RAZELLI

Es gehe aber auch viel um Sprache, "der Wiener Dialekt ist so super, weil er so emotional daherkommt." Selbst aufgewachsen ist Razelli damit nicht mehr. "Wienerisch à la Mundl wird sicherlich weniger, aber dafür entwickelt sich eine ganz neue Dialektsprache, mit verschiedenen Ausländereinsprengseln. Das hat für mich auch einen eigenen Flow."

Weniger anfangen kann Razelli, der wegen der urheberrechtlichen Grauzone, in der seine Songs entstehen, seine wahre Identität hinter einer Arnold-Schwarzenegger-Maske verbirgt, mit den politischen Parteien: "Wir wählen unsere Politiker ja nicht direkt. Ich würde mir aber gerne aussuchen können, wer Verkehrsminister wird." Interesse bekundet der Youtuber dafür an Roland Düringers Politprojekt: "Da könnte ich mir vorstellen zu kandidieren."

KURT RAZELLI

Zunächst steht aber noch die allererste Premiere auf einer Kabarettbühne an. Nach Live-Auftritten bei Festivals oder als DJ-Gag in Clubs, betritt Razelli mit seiner Show TV Mania im Wiener Stadtsaal Neuland. "Kabarett ist schon das, wo ich mich mit meiner Kunst zugehörig fühle." Bieten will Razelli eine Multimediashow, in der er sich vom Politskandal bis zum Würstelstandmonolog hantelt: "Ich zappe mich halt so durch die Kanäle". (Stefan Weiss, 28.4.2017)