Sebastian Kurz war in den letzten Jahren eine durchaus ansprechende Erscheinung in der österreichischen Politik. Der adrette und beredte junge Mann konnte immer wieder mit vernünftigen Aussagen punkten, etwa in der Frage der Flüchtlingspolitik oder als Kritiker der nicht sehr ehrlichen langjährigen Verzögerungshaltung der EU gegenüber der Türkei. Nun soll er, mit großen Vollmachten ausgestattet, die müde gewordene ÖVP wieder zu neuen Erfolgen führen.

Die Umstände seiner Inthronisierung befremden aber ein wenig. Vor allem die Tatsache, dass die ÖVP, immerhin eine der Gründerparteien der Zweiten Republik, als "Liste Sebastian Kurz" bei den nächsten Wahlen auftreten muss, erscheint etwas bedenklich. Als Ausweg aus der Sinnkrise wird hier bloß auf das Vertrauen in eine jugendliche und selbstbewusste Führungsperson gesetzt.

Das verbreitete Unbehagen mit der Politik kommt ja daher, dass viele Menschen den Eindruck haben, Politik sei zur Spielwiese einer winzigen. abgehobenen Schicht von "Berufsgschaftlhubern" verkommen, die sich an Außenseiteranliegen und lächerlichen Gags ergötzen (Ampelpärchen, Radwegsfetischisten, Geilomobilfahrer etc). Insiderscherze und eine straffere Führung durch einen "Chef" oder eine "Chefin" dürften hier nicht viel an Vertrauen stiften.

Die von Kurz anvisierte Reform "von oben" richtet sich offensichtlich vor allem an die Funktionärsebene. Sie mag kurzfristig die Schlagkraft der Organisation erhöhen, aber "die Menschen da draußen" dürften sich relativ unbeeindruckt zeigen. Handfeste Mitwirkungsrechte "von unten" wären da schon überzeugender: etwa parteiinterne, finanziell streng reglementierte Vorwahlen, die auch für deklarierte Sympathisanten zugänglich sind.

Kreisky wollte seinerzeit die "gesamte Gesellschaft mit Demokratie durchfluten". Er hat es nicht geschafft und wurde im Alter ziemlich autoritär. Kurz fängt im Vergleich schon ziemlich autoritär an. Dabei könnte ernsthaftes Eintreten für mehr direkte Demokratie auch in Sachfragen längerfristig die demokratische Kultur es Landes fördern und auch die Legitimität der Parteiapparate steigern. Vom "Boss" handverlesene Kandidatenlisten mit jeder Menge braver "Akklamationsfrauerln" stimmen jedenfalls etwas bedenklich. Hoffen wir, dass die Fahrt mit dem Geilomobil nicht in die falsche Richtung geht. (Robert Schediwy, 15.5.2017)