Der emotionale Austausch ist für werdende Mütter und Jungeltern genauso wichtig wie die akribische Informationssuche und die Möglichkeit, eigene Erfahrungen mit anderen zu vergleichen.

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Man erkennt die alten Hasen an exzessiver Kürzelverwendung: ÜZ, GV, SSW, ES+3, EZ, ZS, US, BEL, ET* ... oder an Nicknames, die schon auf den Expertinnenstatus verweisen, MaxisMama86, AprilMami oder Baby0714. Die Bandbreite der Fragen, die hier besprochen werden, ist sehr groß. Sie reicht von "Was seht ihr hier???" unter dem unscharfen Foto eines Schwangerschaftstests bis zu "Grüner Windelinhalt???".

Für Außenstehende oder zufällige Mitleser und Mitleserinnen mögen viele Themen und Threads unverständlich sein, komische und skurrile Elemente beinhalten und für Unverständnis und Kopfschütteln sorgen, doch die Diskussionen in Schwangerschafts-, Mütter- oder Elternforen erfüllen wichtige Aufgaben im Alltagsleben werdender Mütter und Jungeltern.

Der Austausch in Foren beginnt schon bei der Familienplanung. Je nachdem, ob es mit der Schwangerschaft klappt oder nicht, biegt man gegebenenfalls in die Foren für den unerfüllten Kinderwunsch ab. Hier geht es großteils um komplexe medizinische Details der künstlichen Befruchtung und die rechtlichen Rahmenbedingungen der Reproduktivmedizin. Für den Fall, dass das "Hibbeln" (Forumsprech für Warten auf einen positiven Schwangerschaftstest) ein Ende hat und das "Herzeln" (Forumsprech für Geschlechtsverkehr) erfolgreich war, kann man zu jeder erdenklichen medizinischen und Lifestyle-Frage in den Foren und auf Expertenportalen einen geeigneten Rat oder Beistand finden.

Forum statt Oma

In einer Zeit der großen Veränderungen aller Lebensbereiche und natürlich auch des Körpers wächst auch das Bedürfnis, persönlich Erfahrungen zu Schwangerschaft, Babypflege und später auch Kindererziehung auszutauschen. Die Gründe für die häufige Inanspruchnahme von Online-Foren für den Austausch mit Laien finden sich zunächst im Wandel der Mediennutzung, aber auch in der Veränderung der Familienstruktur. Haben Mutter oder Vater früher auf das Wissen und vielleicht vorgefasste Ansichten über Erziehung, die man in einer Großfamilie gewonnen hat, zurückgegriffen, sind junge Kleinfamilien heutzutage mit ihren Fragen und Ängsten auf sich allein gestellt.

Parallel dazu gibt es auch erhöhten Informationsbedarf in medizinischen oder alternativmedizinischen Fragen. Immer mehr Frauen widersetzen sich der Medikalisierung und Medizinisierung von Zeugung, Schwangerschaft und Geburt oder wollen bei medizinischen Entscheidungen, etwa bei der Pränataldiagnostik, eine aktivere Rolle spielen. Sie stellen die alleinige Autorität von Gynäkologen, Hebammen und Kinderärzten infrage und wollen vor Untersuchungen und Gesprächen bereits umfassend informiert sein, um qualifizierte Fragen stellen zu können.

Vermessen und Vergleichen

Einigen Eltern wiederum reicht der umfangreiche vorgeschriebene Vorsorgeplan in der Schwangerschaft nicht aus. Die Ungeborenen werden vermessen, geprüft und überwacht, die gewonnenen Daten werden dann in Internetforen verglichen, bis auf millimetergenaue Angaben. Immer mit der ängstlichen Nachfrage, ob "eh alles in der Norm liegt".

Eine schwedische Studie aus dem Jahr 2016 hat untersucht, wie Schwangere das Internet als Informationsquelle nutzen. Dafür wurden Fragebögen in gynäkologischen Ordinationen und Ambulanzen verteilt. Rund 95 Prozent der Befragten nutzten das Internet zur Informationssuche und um mit anderen schwangeren Frauen in Kontakt zu kommen. Fast alle Befragten suchten im Internet nach ergänzenden Informationen, selbst wenn sie mit der Schwangerenvorsorge und ihrem Gynäkologen zufrieden waren.

Die Mehrheit der befragten Schwangeren fühlte sich allerdings durch die Informationen aus dem Netz verunsichert. Elf Prozent fühlten sich so beunruhigt, dass sie anschließend den persönlichen Rat eines Experten einholten.

Gespräche und Informationen im Internet stillen nicht nur den Informationsdurst, sie tragen auch zur Verunsicherung bei. Und trotzdem erfüllen die Diskussionen mit Laien eine wichtige psychologische Rolle: Schwangere Frauen sehen im Forum eine Gemeinschaft, auf die sie nicht verzichten wollen, "einige bezeichneten Forumsmitglieder als Freundinnen". Das ist der Befund einer Diplomarbeit der Universität Wien, die sich dem "Einfluss von Internet-Foren auf schwangere Frauen in Italien" widmet.

"Alles normal?"

Emotionaler und Informationsaustausch gehen auch nach der Entbindung weiter. Die Eltern kompensieren den in Foren oft beklagten Verlust des Vertrauens in medizinische Einrichtungen und Behandlungsmethoden sowie mangelnde Aufklärung durch unter Zeitdruck stehende Kinderärzte.

Die Verunsicherung wächst zusammen mit dem Nachwuchs: Eltern wollen in Foren alles darüber erfahren, wie oft und wie viel ein Baby trinken muss, wie viele volle Windeln "normal" sind und wie ihr Inhalt riechen und aussehen soll. Über die geeignete Schlafposition und darüber, ob ein Baby ein eigenes Bettchen braucht, entbrennen hitzige Diskussion, genauso wie darüber, wie lange man ein Baby stillen sollte und welche Tragevorrichtung die beste und ergonomischste ist.

Vorsicht und Datenschutz

Das Bedürfnis nach Beistand und Information ist mit der Geburt und dem Babyalter des Kindes nicht vorbei. Das Sozialministerium hat über 750.000 medizinische Internetseiten auf Deutsch gezählt. Sie sind für Österreicher und Österreicherinnen die Hauptinformationsquelle bei Gesundheitsthemen, noch vor dem Gespräch mit Ärzten. 67 Prozent aller Internetnutzer recherchieren im Netz gesundheitsbezogene Themen. Frauen (72 Prozent) nutzen das Internet häufiger, um über Gesundheit zu recherchieren, als Männer (62 Prozent). Ob Frauen in der Schwangerschaft häufiger das Netz befragen, ist für österreichische Userinnen nicht bekannt.

Über das Portal konsumentenfragen.at warnen Sozialministerium und Frauengesundheitszentrum vor Pharma-gesponserten Informationsseiten sowie vor "anonymen ChatnutzerInnen", deren Absichten und Erfahrungen man nicht überprüfen kann. Die deutsche Verbraucherzentrale rät, in Foren nicht zu viele persönliche Informationen herzugeben. Die Konsumentenschützer empfehlen, grundsätzlich nur jene medizinischen Informationsseiten zurate zu ziehen, die evidenzbasiertes Wissen anbieten und über Qualitäts- und Gütesiegel verfügen. (Olivera Stajić, 21.5.2017)