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Rihanna ging vor einiger Zeit mit einer Bauchtasche von Chanel mit gutem Beispiel voran

Foto: ap/ Zacharie Scheurer

Zu Beginn der Nullerjahre wurden sie über dem Sixpack getragen, heute ganz selbstverständlich über Fanschal und Sweater: Bum-Bags von Asos.

Foto: Asos

Bauchtaschen von Asos, mittig in Gelb, Weekday und dem Taschenlabel Sandqvist.

Fotos: Asos, Weekday, Sandqvist

In den letzten Jahren lässt sich ein seltsames Alltagsphänomen beobachten, das von Bloggerinnen massiv befeuert wird: Junge Frauen tragen auch tagsüber Handtaschen, die ursprünglich ausschließlich zur Abendgarderobe gehörten. Winzige Chanel-Bags, unpraktische Clutches, in die gerade einmal Kreditkarte, Handy und Lippenstift passen. Weil die meisten Bloggerinnen ohnehin eher selten in die Oper oder ins Theater gehen, wird die Céline-Trio-Bag einfach zum Brunchen mit Freundinnen in der schicken Berlin-Mitte-Location umgehängt. Schließlich muss man zeigen, was man hat. Kinderwagen und Ausgeh-Luxustasche scheinen dabei kein Widerspruch zu sein, schließlich setzen zahlreiche Influencer ihre Babys mittlerweile ja auch gern online wie ein Accessoire ein.

In den 1980er-Jahren war die Welt weniger luxuriös, dafür praktischer organisiert: Man hatte es gern sportlich. Wenn schon eine kleine Tasche, dann die Bum-Bag, wie die Bauchtasche im britischen Sprachraum genannt wird. In Amerika sagt man Funny-Bag, Belly-Bag oder Buffalo-Pouch. Gestresste Mütter, die beide Hände für ihre Kleinen brauchten, waren ebenso begeistert von ihr wie Touristen, die Angst um ihre Wertgegenstände hatten.

Hüfttasche unverzichtbar

Der neue Volkssport Jogging machte die Hüfttasche zu einem unverzichtbaren Teil der Garderobe. Oft waren sie extrem bunt, deshalb wurden sie auch gern Kindern umgebunden – Kakaoflecken waren kein Thema, die meisten Taschen bestanden aus funktionalem Nylon. Nicht zuletzt liebten Drogendealer die praktischen Bum-Bags, weil man das Geld und die heiße Ware schnell und unauffällig verschwinden lassen und sich im Notfall flott aus dem Staub machen konnte.

Ganz aus der Mode gekommen ist die Bauchtasche nie. Mit dem Aufkommen der 1990er-Hip-Hop-Fashion war sie bei den Herren gefragt, sie baumelte als Man-Bag auch gern seitlich getragen um die Schulter. Für Musikfestivals blieb sie das ultimative Tool. Sogar die stilbewusste Serienfigur Carrie Bradshaw, eher bekannt für Manolo Blahniks und Luxushandtaschen, trug in einer Folge der vierten Staffel von "Sex and the City" Anfang der Nullerjahre eine lässige Gucci-Bauchtasche, die perfekt zu ihrem trainierten Sixpack passte.

Spätestens mit dem Normcore-Trend, der 2014 flächendeckend diskutiert wurde, wollten plötzlich alle ein wenig wie spießige deutsche Touristen aussehen. Mit Hipster-Ironie feierte man ein längst verpöntes Accessoire, das es nun bei American Apparel wie früher in den 1980er-Jahren in Discofarben zu kaufen gab. "Als vor ein paar Jahren das Motto 'So-schlecht, dass es schon wieder gut ist' ausgerufen wurde, und Socken in Sandalen sowie Trainingsanzüge wieder hip wurden, fühlten sich Bauchtaschen plötzlich auch wieder nicht verkehrt an", analysierte Rachel Waldman in der "Vogue" im Vorjahr das Phänomen.

Der amerikanische Designer Alexander Wang legte bereits 2014 eine edle Lederversion vor, It-Model Bella Hadid und Kolleginnen präsentierten zur Chanel-Couture für Frühling 2016 stylische Bauchtaschen.

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Chanel-Show mit Bauchtasche.
Foto: Reuters/ Gonzalo Fuentes

Schauspieler Jared Leto ist ein großer Fan, Sportswear-Fashion-Ikone Rihanna stimmte ihre fliederfärbige Chanel-Bum-Bag auf ihr Outfit ab. Und die aktuelle Kollaboration zwischen der Skaterbrand Supreme und der Nobelmarke Louis Vuitton hat natürlich auch jede Menge cooler Bauchtaschen im Sortiment. Es gibt sie mittlerweile flächendeckend von Prada über Moschino bis zu Weekday. Spannend an diesem Accessoire ist auch, dass es schon immer unisex und genderneutral war.

Vorläufer der Bum-Bag

Erstmals tauchten die sogenannten Châteleines im 15. Jahrhundert in Frankreich auf, bis ins 19. Jahrhundert waren sie in England unter dem Namen Chatelaine bekannt, es handelte sich dabei um Metallbörsen, die an der Hüfte von Hausmädchen baumelten, oft wurden auch Alltagsgegenstände wie Scheren, Schlüssel oder Uhren daran befestigt. Die Ausführung der Tasche zeigte den Status im Haushalt an. Im 20. Jahrhundert waren die Belt-Bags aus dem Sport nicht wegzudenken, Skipatrouillen hatten das Verbandszeug in ihrer Bauchtasche, es folgten Radfahrer, die in ihren engen Trikots keinen Platz hatten.

Bald sprang auch die High Fashion auf, damals begann, was heute fast schon inflationär zu beobachten ist: Die teuersten Labels holen sich Inspiration von der Straße. Chanel ließ schon in den 1980ern Supermodel Claudia Schiffer mit einer stilvollen Bauchtasche ganz in Weiß vor dem Brandenburger Tor in Berlin posieren, um ihre Mitte hing eine Luxusversion mit Gold- und Lederschnüren. Die Bum-Bag hatte den Sprung in die Fashion-Elite geschafft: von der gestressten Mutter zur bourgeoisen Lady, die eh einen Babysitter daheim hat.

Ob sich der aktuelle Trend zur Bauchtasche hierzulande durchsetzen wird, ist fraglich. In der U-Bahn dominiert der Michael-Kors-Business-Look. Dabei hat der amerikanische Massendesigner längst auch coole Bum-Bags im Sortiment. (Karin Cerny, RONDO, 5.6.2017)