Die jüngsten, dramatischen Veränderungen am Larsen-C-Schelf.

Midas-Projekt/Universität Swansea

Es sind nur Satellitenaufnahmen, die über das dramatische Geschehen am sogenannten Larsen-C-Schelfeis in der Antarktis informieren. Die jüngsten Bilder zeigen allerdings, dass sich dort in den vergangenen Tagen – zumindest in glaziologischen Zeitmaßstäben – die Ereignisse überschlagen haben: Wie britische Forscher um Adrian Luckman (MIDAS-Projekt der Uni Swansea) berichten, steht ein 175 Kilometer langer Eisberg unmittelbar vor dem Abbrechen.

Wochit News

Seit vergangenem Jahr verfolgen die Glaziologen die Entwicklung am sogenannten Larsen-C-Schelfeis mit besonderer Aufmerksamkeit. Grund dafür ist die rapide Ausdehnung eines Risses. Wie Daten des "Sentinel-1"-Satelliten der ESA zeigen, wuchs diese Kluft im antarktischen Sommer rasch an, Anfang Mai hat sich die Gletscherspalte gegabelt. Und allein zwischen dem 25. und 31. Mai ist sie um weitere 17 Kilometer länger geworden – die letzten Kilometer direkt in Richtung Meer.

Damit war die ständig auch an Breite gewinnende Kluft vor vier Tagen nur noch 13 Kilometer vom Rand des Schelfs entfernt. In einem neuen Tweet von Adrian Luckman, abgesetzt am Samstag, dem 3. Juni, zeigt sich die Dynamik des Prozesses. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Ablösung unmittelbar bevorsteht – oder womöglich sogar bereits erfolgt ist.

Jener Teil des Eisschilds, der nun über kurz oder lang kalben wird, ist mit rund 5.000 Quadratkilometern um ein Viertel größer als das Burgenland und wird, wenn er nicht zerbricht, einer der größten sein, die je beobachtet wurden. Bis der gewaltige, rund 350 Meter dicke Brocken auf hoher See geschmolzen sein wird, werden Jahre vergehen. Seine Reiseroute könnte dann in etwa so aussehen:

Unabsehbare Folgen für den Meeresspiegel

Das größere Problem an der ganzen Sache ist, dass der Abbruch auch das übrige Schelfeis von Larsen C erschüttern und letztlich sogar zerstören könnte, obwohl der Eisberg bloß zehn Prozent seiner Fläche hat. Etwas Ähnliches ist in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren bereits bei Abbrüchen mit den sehr viel kleineren Schelfen Larsen A und B passiert. Larsen C ist hingegen richtig groß – mit rund 50.000 Quadratkilometern um ein Viertel größer als die Schweiz.

Der Abbruch des Eisbergs und der Zerfall des dahinter liegenden Eisschilds, das bereits im Endzeit-Thriller "The Day After Tomorrow" Erwähnung fand, würde sich zwar nicht unmittelbar auf die Erhöhung der Meeresspiegel auswirken, da das Eis auch jetzt schon auf dem Wasser schwimmt. Würde das Schelf aber zerbrechen, dann könnten die dahinter liegenden Eisströme praktisch ungebremst ins Meer fließen. Und all das zusammen würde den Meeresspiegel letztlich um bis zu zehn Zentimeter erhöhen. (tasch, 4.6.2017)