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"Dead as a dodo", lautet eine englische Redewendung ... noch.
Foto: AP Photo/Matt Dunham

Trier/Wien – Man weiß, dass eine Sache ernst wird, wenn sich die Bürokratie einzuschalten beginnt. Ausgestorbene Tierarten mittels Gentechnik "zurückzuholen", klang lange Zeit nach Science Fiction, ist mittlerweile aber Gegenstand einer ganzen Reihe von Forschungsprojekten weltweit.

Die Kandidaten reichen vom erst im 20. Jahrhundert ausgerotteten Beutelwolf über den Dodo bis zum eiszeitlichen Wollhaarmammut. Ebenfalls häufig genannt werden das Quagga – ein nur teilweise gestreifter Verwandter des Zebras – und die Wandertaube, beide in den vergangenen 150 Jahren von uns gegangen. Jüngstes Beispiel ist der Chinesische Flussdelfin, bei dem noch gar nicht hundertprozentig gesichert ist, ob er tatsächlich bereits ausgestorben ist.

Wegen der Vielzahl an Projekten veröffentlichte die Weltnaturschutzunion IUCN 2016 Richtlinien für sogenannte De-Extinctionen: Ökologische Folgen gelte es dabei ebenso zu berücksichtigen wie wirtschaftliche. Nun meldete sich eine Gruppe deutscher Wissenschafter im Fachmagazin "Science" zu Wort und ergänzte, dass bei einer Wiederauferstehung auch die Form zu wahren sei.

Wunderwelt der Nomenklatur

Das Team um Norman Wagner von der Universität Trier führt mit seinem Paper mitten hinein ins Reich der biologischen Nomenklatur. Dieses auf Carl von Linné zurückgehende System der Namensvergabe mag Laien schrullig erscheinen. Tatsächlich handelt es sich aber um ein beinhartes Regelwerk, das jede Spezies auf Erden unverwechselbar macht.

Das Grundprinzip: Jede Spezies trägt eine zweiteilige (pseudo)lateinische respektive griechische Bezeichnung, die Gattung und Art nennt – Stichwort Homo sapiens. Für Unterarten kommt ein dritter Teil dazu. Wortwiederholungen sind dabei nicht verboten, weshalb beispielsweise der Westliche Flachlandgorilla in Fachtexten die psychedelische Bezeichnung Gorilla gorilla gorilla trägt.

Auf diesem Fundament bauen dann jede Menge Regeln für weitere Details auf. So besagt beispielsweise die Prioritätsregel, dass die ältere Bezeichnung sticht, wenn zwei Forscher unabhängig voneinander dieselbe Spezies unterschiedlich benannt haben. Das gilt auch dann, wenn die jüngere viel besser wäre, wie es beim Urpferd Eohippus ("das Pferd der Morgenröte") der Fall war, das nun unpassenderweise leider Hyracotherium ("Schliefertier") heißen muss.

Das südafrikanische Quagga ist im 19. Jahrhundert ausgerottet worden. Was Wissenschafter hier aus Steppenzebras "rückgezüchtet" haben, ist nur eine äußerliche Annäherung.
Foto: APA/AFP/RODGER BOSCH

Die Gruppe um Norman Wagner regt nun eine neue Regel an. Von simpler Rückzüchtung äußerer Merkmale abgesehen, laufen alle Methoden zur De-Extinction nämlich darauf hinaus, dass das Erbgut ausgestorbener und noch lebender Tiere vermischt wird. Was dabei herauskommt, ist also streng genommen ein Hybrid und keinesfalls das Original. Die IUCN spricht von "Proxies" oder noch nüchterner von "funktionalen Äquivalenten". Im aktuellen "Science"-Paper ist von "DEAS" die Rede (de-extinct animal species).

Die deutschen Forscher schlagen daher vor, etwaige Neo-Mammuts und andere Rückkehrer mit dem Zusatz "recr." (für recrearis, also auferstanden) zu versehen. Ähnliche Attribute gibt es in der Nomenklatur bereits: Zum Beispiel darf eine neuentdeckte Spezies bei der Erstvorstellung mit "sp. nov." (species nova) versehen werden. Ein anderes interessantes Kürzel, das in der Taxonomie seit langem verwendet wird, ist "inc. sed." (incertae sedis): Es wird dann angeführt, wenn man bei einer Tiergruppe nicht weiß, wo genau ihr Platz im Stammbaum ist.

Vom Theoretischen ins Praktische

Das mag für manche jetzt nach akademischem Orchideengarten klingen, ist es aber nicht. Wagner weist darauf hin, dass der International Code of Zoological Nomenclature zwar nur eine wissenschaftsinterne Übereinkunft ist und keinen Gesetzesstatus hat, doch bauen zahlreiche Gesetze auf ihm auf.

Im Artenschutz etwa muss trennscharf zwischen Spezies unterschieden werden können – nicht zuletzt, um zu klären, wohin Gelder fließen sollen. In Zukunft würden die heute noch lebenden Spezies im unfreiwilligen "Konkurrenzkampf" um Mittel neue Mitbewerber in Form der Wiederauferstandenen erhalten, geben die Forscher zu bedenken.

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Der Beutelwolf Tasmaniens ist einer der meistgenannten Kandidaten für eine De-Extinction.
Foto: AP Photo/Rick Rycroft

Und umgekehrt müsse auch Rechtssicherheit für den Fall bestehen, dass ausgewilderte Wiedergänger ihrerseits Schaden anrichten, etwa wenn ein Schwarm Neo-Wandertauben über das Feld eines Bauern herfällt. Im EU-Raum müssten alle Fragen, die DEAS betreffen, innerhalb des Regelwerks über die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen geklärt werden. Heute dreht sich dieses noch um Mais und ähnliche Nutzpflanzen, doch wer weiß, was die Zukunft bringt.

Noch haben die diversen De-Extinction-Projekte kein einziges wiederauferstandenes Tier präsentiert. Angesichts der medialen Hysterie, die schon das Auftauchen eines einzelnen Wolfs oder Braunbären auslösen kann, schadet es aber nicht, schon jetzt für den Fall gewappnet zu sein, wenn zum ersten Mal seit gut 10.000 Jahren wieder ein Mammut seinen Fuß auf europäischen Boden setzt. Oder wie es dann korrekterweise wohl heißen würde: Mammuthus primigenius recr. (jdo, 8. 6. 2017)

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Die Rückkehr des Wollhaarmammuts ist der in mehrfacher Hinsicht größte Traum vieler De-Extinction-Befürworter. Tiefgefrorene DNA-Reste wären vorhanden, nahe lebende Verwandte zwecks Erbgutergänzung auch.
Foto: REUTERS/Pichi Chuang