Der Mailänder Bosco Verticale von Stefano Boeri ist von oben bis unten bepflanzt. Auch in Wien gibt es noch viel Potenzial auf Dächern und Fassaden, besonders im Bestand ist das Nachrüsten schwierig.

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Die Sommer werden immer heißer. Das merkt man besonders in Städten, wo aufgrund von größerer baulicher Dichte und versiegelten Oberflächen sogenannte "Urban Heat Islands" entstehen. Dazu, wie man mit der Herausforderung Stadtklima umgehen könnte, hat der Ausschuss Nachhaltiges Bauen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten vor kurzem eine Diskussion veranstaltet.

Das Problem ist ein drängendes: Im Rekordsommer 2015 gab es in Wien so viele Wüstentage (mit mehr als 35 Grad) wie noch nie. "Unsere Städte sind nicht gemacht für dieses Klima", sagte Meteorologin Maja Zuvela-Aloise von der ZAMG – und schlug die Schaffung von Grün- und Wasserflächen vor, die die Temperaturen im Grätzel messbar senken. "Circa 45 Prozent der Dächer Wiens sind begrünbar", berichtete sie. Aktuell seien nur zwei Prozent tatsächlich grün.

Auch Vera Enzi, Sprecherin des Verbands für Bauwerksbegrünung, zählte die Vorzüge von Grün in der Stadt auf: Ein einziger Baum hat laut dem niederländischen "Biodiversity Action Plan" einen ähnlich kühlenden Effekt wie zehn Klimaanlagen, zudem würde sich bei Ausblick auf einen öffentlichen Park der Immobilienwert um fünf Prozent steigern. Warum Zahlenspiele wichtig sind? "Die Kosten-Nutzen-Rechnung steht an der Türschwelle", so Enzi. "Mit Wohlfühlargumenten kommen wir nicht weiter."

Nachrüsten im Bestand

In Stadtentwicklungsgebieten werde das Potenzial der Dächer schon jetzt genutzt, erzählte Jürgen Preiss von der Wiener Umweltschutzabteilung: "Ich gehe davon aus, dass die Seestadt Aspern vom Flugzeug aus nicht mehr erkennbar sein wird, weil die begrünten Dächer von oben wie eine Wiese aussehen." Insgesamt gebe es in Wien 12.000 Hektar an Fassaden- und 6000 Hektar an Dachflächen. Viel Potenzial zur Kühlung der Stadt also. Allein die Unterschiede in der Oberflächentemperatur von hellen und dunklen Fassaden liegen laut Messungen der Stadt Wien bei bis zu 20 Grad.

Schwierig gestaltet sich das grüne Nachrüsten im Bestand – dabei, betonte Enzi, sei gerade in den dicht bebauten Gebieten in der Stadt der Bedarf an Maßnahmen am größten – aber mit Einschränkungen: "Historische Bauten mit einer Living Wall zu überziehen, halte ich nicht für sinnvoll", so Enzi. "Denkmalschutz und Kletterpflanzen schließen sich aber nicht aus." Um unkompliziert zu Informationen dazu zu kommen, was geht und was nicht, forderte Landschaftsplaner Erik Meinharter eine Kompetenzstelle für Grün- und Freiraum, an die sich Bezirkspolitiker und Hauseigentümer wenden können.

Engagement der Stadtbewohner

Aber schon bei Flächenwidmung und Planung von Projekten müsse das Klima mitbedacht werden, so Meinharter: "Am Bauplatz merkt man sofort, ob sich jemand dazu Gedanken gemacht hat." Technisch sei bei der Gebäudebegrünung heute schon viel möglich. Dafür komme aber die Biodiversität und die Natur mitunter zu kurz, resümierte Enzi: "Und wir müssen die Menschen hineinbringen."

Das Engagement der Stadtbewohner werde auch bei der Finanzierung der Grünflächen nötig sein, glaubt Enzi: "Wir werden eine grüne Infrastruktur nicht nur aus Mitteln der öffentlichen Hand zahlen können."

Ernüchternd waren auch die Zurufe aus dem Publikum: "Ich brauche ein Jahr, um in meinem Bezirk einen Baum zu pflanzen", klagte eine Bezirkspolitikerin. "Uns rennt die Zeit davon." (13.6.2017)