Zürich – Embryonale Stammzellen gelten als wahre Alleskönner und bringen alle verschiedenen Zelltypen des Körpers hervor. Im Labor ist diese Fähigkeit jedoch eingeschränkt. Forscher der Universität und des Universitätsspitals Zürich haben herausgefunden, warum das so ist. Die neuen Erkenntnisse sollen in Zukunft auch dazu beitragen, unter anderem komplizierte Knochenbrüche zuheilen.

Haut-, Muskel- und Leberzellen unterscheiden sich deutlich voneinander. Trotzdem gehen sie auf die gleichen Zellen im frühen Embryonalstadium zurück: die embryonalen Stammzellen. Auf diesen "Alleskönnern" ruhen große Hoffnungen der Medizin, weil sich damit allenfalls Ersatzgewebe züchten ließe. Allerdings unterscheiden sich die Stammzellen im Labor von denen im frühen Embryo: Im Labor können sie sich nicht zu jedem beliebigen Zelltyp entwickeln.

Schlüsselfaktor entdeckt

Forschende um Paolo Cinelli und Raffaella Santoro von der Universität und dem Universitätsspital Zürich haben nun einen Schlüsselfaktor gefunden, woran es den Stammzellen im Labor fehlt. Dabei handelt es sich um ein Protein namens Pramel7, wie die Uni Zürich am Dienstag mitteilte. Dieses hilft, das "berufliche Schicksal" der Stammzellen auf Null zu setzen, in den Labor-gezüchteten Zellen kommt jedoch wenig davon vor, wie die Forscher im Fachblatt "Nature Cell Biology" berichten.

Das Geheimnis der "Alleskönner"-Stammzellen: Ihr Erbgut ist relativ frei von sogenannten epigenetischen Markierungen. Diese kann man sich als chemische Lesezeichen am Erbgutmolekül DNA vorstellen, die festlegen, welche Gene abgelesen werden sollen und welche nicht. Denn eine Hautzelle braucht andere Gene als eine Muskel- oder Leberzelle. Damit aus einer Stammzelle alle verschiedenen Zelltypen hervorgehen können, müssen aber alle Gene offen und frei zugänglich sein.

Hier kommt Pramel7 ins Spiel: Dieses Protein sorgt in einem relativ kurzen Zeitfenster dafür, dass das Erbgut in den Zellen des wenige Tage alten Embryo von den Lesezeichen – Methylgruppen an der DNA – befreit wird. "Je mehr Methylgruppen entfernt werden, desto offener ist das Buch des Lebens", sagte Cinelli laut Aussendung.

Lebenswichtiges Eiweiß

In den Labor-kultivierten Stammzellen kommt Pramel7 jedoch kaum vor, berichten die Wissenschafter. Entsprechend finden sich am Erbgut dieser Zellen auch mehr Methylgruppen als bei den Stammzellen im frühen Embryo. Und ein weiterer Hinweis, wie lebenswichtig die Aufgabe dieses Eiweiß-Moleküls ist: Als die Zürcher Forschenden Pramel7 in Stammzellen künstlich komplett ausschalteten, blieben sie gar ganz stecken in ihrer Entwicklung.

Dank ihrer Erkenntnisse aus der Analyse von Mäuse-Stammzellen hoffen die Forscher, irgendwann beim Menschen komplizierte Knochenbrüche heilen zu können. "Knochen können sich zwar super regenerieren und sind das einzige Gewebe, das dabei keine Narben bildet", sagte Cinelli. Die Knochenstümpfe müssen sich allerdings berühren, damit sie zusammenwachsen können. Bei komplexen Mehrfachbrüchen sei aber manchmal ein Stück des Knochens nicht mehr brauchbar.

Cinellis Team forscht daher an einem Knochenersatz aus einem Trägermaterial, das mit körpereigenen Stammzellen besiedelt werden soll. Diese sollen dann wieder neuen Knochen bilden. So zumindest die Vision, für die die neuen Erkenntnisse den Weg ebnen. (APA, red, 2.7.2017)