Die für Altbauten festgelegten Richtwertmieten sorgen nicht bei allen Vermietern für Freude.

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Der Wiener Richtwert sorgt weiter für Aufregung: Die Miete von Altbauten ist in Wien bei 5,58 Euro gedeckelt – das ist nach dem Burgenland der zweitniedrigste Wert in ganz Österreich. Im freifinanzierten Neubau darf hingegen verlangt werden, was der Markt hergibt. Eine Gruppe von Zinshausbesitzern will dieses "Unrecht", wie sie es nennen, nicht hinnehmen. Beim Verfassungsgerichtshof sind sie im Vorjahr mit ihren Beschwerden dazu zwar abgeblitzt, mittlerweile liegen diese aber beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

Aufgabe des Staates

Vor wenigen Tagen lud der "Verein zur Revitalisierung und architektonischen Aufwertung der Wiener Gründerzeithäuser" zu einer Informationsveranstaltung. "Eine Mietenregulierung darf es in einem Rechtsstaat wie Österreich nicht geben", argumentierte Zinshausbesitzer Kaspar Erath. Das Bereitstellen sozialen Wohnbaus sei Aufgabe des Staates, nicht privater Eigentümer, hieß es bei der Veranstaltung. Als "eigentümerfeindlich, diskriminierend und umweltschädigend" beurteilte auch Wolfram Proksch von PFR Rechtsanwälte – er vertritt den Verein in Straßburg – das österreichische Mietrecht. Investitionen, etwa eine thermische Sanierung, würden sich so nicht rechnen. Als Resultat würden viele ihre Wohnungen leerstehen lassen.

"Wir haben heute ein leichtes Ungleichgewicht", eröffnete Moderator und STANDARD-Architekturkritiker Wojciech Czaja dann die Podiumsdiskussion: Im Publikum und auf dem Podium fanden sich nämlich hauptsächlich Vertreter der Eigentümerseite.

Neues Mietrecht gefordert

Einig waren sich beide Seiten dann auch nur in einem: Ein neues Mietrecht muss her. Bei der Frage, wie ein solches ausschauen soll, gingen die Meinungen aber weit auseinander. Vom derzeitigen System würden hauptsächlich Rechtsanwälte profitieren, meinte Joachim Kovacs, Wiener Landessprecher der Grünen. Seine Partei präsentierte erst vor kurzem einen Vorschlag für ein Mietrecht, das eine Deckelung der Mieten bei 7,50 Euro vorsieht.

Für Rechtsanwalt Proksch sind Obergrenzen jedoch ein "kommunistisches System" und gleichen einer Enteignung. Das aktuelle Mietrecht sei jedenfalls nicht mehr lesbar, nötig sei ein komplett neues Mietrecht, argumentierte er. Ähnlich sah das Neos-Bautensprecher Gerald Loacker, der von einer "Zweiklassengesellschaft" bei Mietern sprach, nämlich einem "Mietadel" mit großzügigen Eintrittsrechten auf der einen und jungen Familien, die diese Vorteile nicht mehr haben, auf der anderen Seite: "Ein neues Mietrecht wäre also auch im Interesse der Mieter."

Keine Einigung vor der Wahl

Und auch im öffentlichen Interesse, argumentierte Markus Landerer vom Verein Initiative Denkmalschutz: "Viele Gründerzeithäuser in Wien werden nur deshalb abgerissen, weil es sich nicht mehr rechnet, sie zu sanieren."

Auch wenn die Verhandlungen zu einer Mietrechtsreform zwischen ÖVP und SPÖ in den letzten Jahren wiederholt gescheitert sind: Margarete Kriz-Zwittkovits von der ÖVP Wien glaubt weiter an "einen großen Wurf". Ein neues Mietrecht sollte fair sein, "aber ich bin auch dafür, dass jemand sein Eigentum einsetzen kann, wie er mag". Klar ist: Vor den Wahlen im Herbst wird es einen solchen "Wurf" auf jeden Fall nicht mehr geben. Rechtsanwalt Proksch glaubt im Gespräch mit dem Standard auch, dass die Entscheidung aus Straßburg dauern wird. Die Zinshausbesitzer haben mittlerweile auch beim VfGH neue Beschwerden eingebracht. (Franziska Zoidl, 30.6.2017)