Der 56-jährige Regisseur Martin Kušej wird neuer Burgtheaterdirektor.

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Kušej sei der "wichtigste Regisseur des Landes", befand Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ).

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Wien – Da stand er nun im Wiener Palais Dietrichstein (Bundeskanzleramt) und konnte nicht anders. Regisseur Martin Kušej, seit 2011 Leiter des Bayerischen Staatsschauspiels, wird mit Saisonbeginn 2019/20 Burgtheaterdirektor. Der Kärntner ging aus einem "zeitintensiven" Findungsprozess als Sieger hervor. Er sei von Minister Thomas Drozda und Bundestheater-Chef Christian Kircher "direkt" angesprochen worden. Kušej habe sich daraufhin "sehr geehrt" gefühlt.

In Jeansjacke und in gelöster Stimmung stellte der designierte Burg-Chef die für ihn ausschlaggebende Frage: "Was bedeutet es, ein so großes Theater in die Zukunft zu führen?" Kušej gab an, mit Blick "auf die nächsten 20, 30, 40 Jahre" zu planen. Was naturgemäß nicht heiße, dass er auch so lange Direktor sein wird. Kušej möchte "ein schon sehr gutes Theater noch besser machen". Im Verein mit dem um fünf Jahre verlängerten kaufmännischen Geschäftsführer Thomas Königstorfer soll die Burg sich "als mythologisches Gefäß" bewähren. Als klarer Widersacher gilt das digitale Zeitalter. Kušej schwärmt vom Live-Erlebnis, von der nicht zu ersetzenden Pracht des auf der Bühne "schwitzenden Schauspielers".

Kunst der "Seelenbildung"

Der "Realität einer multikulturellen Gesellschaft" will sich der Gekürte unvoreingenommen stellen, gegebenenfalls auch mit nichtdeutschsprachigen Aufführungen. Tatsächlich skizzierte Kušej mit großen, groben Strichen ein geradezu wertkonservatives Konzept. Gegen die Gefälligkeit einer auf Anpassung getrimmten Wohlfühlkultur predigte er die schöne Kunst der "Seelenbildung". Kunst beschere "materielose Gewinne". Um diese auch wirklich erzielen zu können, möchte Kušej ein ausgesprochen junges Leitungsteam um sich versammeln.

Der Volksschullehrerssohn mit slowenischen Wurzeln ("Ich kann Bilanzen lesen!") geht davon aus, mit Stichtag 1. September 2019 ein Haus mit ausgeglichenem Budget zu übernehmen. Er möchte etwas "Neues" erzeugen, vergleichbar mit der Aufbruchphase der Berliner Volksbühne in den 1990er-Jahren.

Kušejs Überlegungen führen in alle Richtungen. Gegen die Verdummung durch eine leere, von Bildung entblößte Welt möchte er die Jungen für das Theater zurückgewinnen. Pro Jahr gibt es ein großes Familienstück. Er selbst wird gerade einmal pro Spielzeit Regie führen. Die Frage nach der zusätzlichen Abgeltung von eigenen Inszenierungen ließ er offen. Auch hier die Bitte: Man möge ihn, Kušej, nicht für blöd halten. Er wäre in der aktuellen, noch immer fragilen Budgetlage der Burg "bekloppt", wollte er sich bereichern.

Kärntner Erinnerungen

Regie-Abstecher in andere Häuser werde er unterlassen. Mit der Oper verbinde ihn zurzeit eine "Krise". Politisch sei seine klare Haltung gegen die FPÖ und alle Populisten verbürgt. Kleiner Höflichkeitszusatz: "Vielleicht kann man mit denen reden." Kušej erinnerte daran, wie einst Dietmar Pflegerl sich als Klagenfurter Intendant an dem Widersacher Jörg Haider abarbeitete. Pflegerls Krebstod sei ihm Warnung genug.

Der Abgang aus München, das er in die "dritte, vierte Position" unter allen deutschen Bühnen geführt habe, fällt Kušej nicht leicht. Er wechselte in feiner Dosierung Worte des Stolzes mit solchen der Demut ab. Er sehe sich als "Ermöglicher" und habe Spaß am Erfolg anderer Künstler am eigenen Haus. Es sei gut möglich, dass er 2019 die neue Burg höchstpersönlich mit einer Inszenierung eröffnen werde. Aber "vielleicht finde ich einen Besseren". Die ihn erwartende Aufgabe sei jedenfalls keine "g'mahde Wiesn".

Der gelernte Handballer betonte den eigenen Sportsgeist und gab an, ausschließlich auf der Bühne für "Skandale" sorgen zu wollen. Die Förderung österreichischer Dramatik sei ihm ein zentrales Anliegen. Postdramatik wird es unter Martin Kušej bestimmt keine geben. Obwohl er mit Blick auf eigene Inszenierungen bereits festgestellt habe: "Du warst auch ganz schön dekonstruktivistisch unterwegs!" (Ronald Pohl, 30.6.2017)