"Das Leben in vollen Zügen genießen", sagt in der Berlitz-Kampagne ein Mann, der jüdischen Klischees zu entsprechen scheint.

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Die sogenannten "False Friends" machen jedem zu schaffen, der eine neue Sprache lernt. Dabei handelt es sich etwa um Redewendungen oder bestimmte Phrasen, die in direkter Übersetzung nicht dieselbe Bedeutung wie in ihrer Ursprungssprache haben. Die neue Werbekampagne der Berlitz-Sprachschule spielt in Österreich und der Schweiz mit diesen falschen Freunden.

Darunter zum Beispiel der Satz "Ich bin heiß", der eben nicht "I'm hot" (mir ist heiß) bedeutet. Ein Sujet aus der Kampagne sorgt nun allerdings für heftige Proteste in sozialen Medien. Kritiker werfen dem Unternehmen vor, dass ein Mann zu sehen ist, der an eine jüdische Karikatur erinnert, der den Satz "Das Leben in vollen Zügen genießen" mit "Enjoy life in full trains" übersetzt.

"Kursiert seit Jahren unter Neonazis"

Jüdische Mitbürger waren zur Zeit des Nationalsozialismus in Viehwaggons deportiert worden – in "vollen Zügen". Für Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) ist das Sujet "klar antisemitisch und menschenverachtend".

Millionen Juden wurden während des Nationalsozialismus deportiert und ermordet.
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Dabei handle es sich um einen "Witz", der laut Peham "seit Jahren unter Neonazis in sozialen Medien" kursiert. Dass Berlitz damit wirbt, bezeichnet der Rechtsextremismus-Experte als "Skandal der ersten Klasse" und eine "Skrupellosigkeit der Verantwortlichen".

Auf der Webseite der Berlitz-Sprachschule prangt Besuchern das Sujet noch immer entgegen. In einer Stellungnahme sagt Geschäftsführer Heino Sieberath, ihm tue es "sehr leid", dass es im Rahmen der Kampagne "zu einer Verwirrung" gekommen sei.

Der Imperativ "genieße das Leben in vollen Züge" habe "nichts mit den Verbrechen des Holocaust zu tun". Sieberath sagt weiter, das Unternehmen sehe "in dem typisch österreichischen Landsmann nicht unbedingt einen jüdischen Mitbürger." Er nennt es "schade, dass manche eine so hohe Interpretationsvielfalt entwickeln und sich die Perspektiven zurechtbiegen, wie sie es gerne hätten".

Werbefirma weist Vorwurf zurück

Mittlerweile (4.7., 18:45 Uhr) hat auch die für die Werbekampagne verantwortliche Firma Warda Networks eine Stellungnahme übermittelt. Dort heißt es, man habe in einer länderübergreifenden Studie die häufigsten "False Friends" ermittelt und anschließend in "spielerische Sujets" verarbeitet. Das verwendete Bild des Mannes solle "keineswegs den vermeintlichen Stereotypen eines Juden" zeigen, so CEO Eugen Prosquill.

Er verweist darauf, dass die Aufnahme aus einer Online-Bilddatenbank stamme und die gleiche Person auch als Feuerwehrmann oder schwitzender Tourist in der Wüste zu finden sei. Man habe selber schon "in Eigenprojekten mehrfach [die eigene] Meinung zu Antisemitismus, Rassismus und menschenverachtendem Gedankengut gezeigt", erklärt Prosquill unter Verweis auf die Kampagne "Gegen Rechts Gesicht zeigen" aus 2015.

In sozialen Netzwerken beschweren sich in der Zwischenzeit zahlreiche Nutzer über die "geschmacklose" Werbung. Berlitz gilt als eine der größten Sprachschulen der Welt. Insgesamt gibt es über 550 Schulen in 70 Ländern. (fsc, 4.7.2017)