Außenminister Sebastian Kurz, Islamwissenschafter Ednan Aslan und die damalige SP-Stadträtin Sonja Wehsely sowie Stadträtin Sandra Frauenberger im Dezember 2015.

Foto: APA/AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC

Wien – Die nicht unumstrittene Kindergartenstudie des Islamwissenschafters Ednan Aslan steht nun auch unter Manipulationsverdacht. Der "Falter" veröffentlichte am Dienstag ein Dokument, das nahelegt, dass die Studie von Beamten des Außen- und Integrationsministeriums nach politischen Gesichtspunkten geändert wurde. Aslan selbst bestreitet das, das Ministerium ebenso.

Die vom Integrationsministerium in Auftrag gegebene Aslan-Studie hatte schon seit ihrem Erscheinen im Dezember 2015 immer wieder für Aufregung gesorgt. Einerseits setzte eine Debatte über integrationsfeindlich geprägte Islam-Kindergärten ein, andererseits wurde dem Wissenschafter vorgehalten, nicht gerade umfassende Informationen über die entsprechenden Einrichtungen eingeholt zu haben. Letztlich einigte man sich, dass Stadt Wien und Integrationsministerium eine gemeinsame Studie unter Mitwirkung Aslans erstellen lassen. Sie soll bis Herbst vorliegen.

Korrektur-Modus

Neu ist nun der Vorwurf, dass Beamte des von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz geleiteten Integrationsministeriums die ursprüngliche Aslan-Studie an etlichen Stellen beeinflusst haben. Dank Korrektur-Modus ist nachzuvollziehen, wo Änderungen von den Beamten vorgenommen wurden. Dies betrifft zwar viele Passagen, wo es nur um Formalia geht, aber auch etliche, wo Aussagen in eine andere Richtung umgedeutet wurden.

Wien heute: Kindergartenstudie laut "Falter" geändert.
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Ein Beispiel: Aslan formulierte ursprünglich, dass auch muslimische Eltern in den Kindergärten für ihre Kinder "Werte wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme und Geborgenheit, Selbstständigkeit und Transparenz der Regeln" suchten. In der Neuformulierung der Beamten heißt es dagegen: "Besonders wichtig ist ihnen (den Eltern, Anm.), dass den Kindern islamische Werte vermittelt werden".

Aslan: "Persönliche Beleidigung"

Aslan betont freilich mittlerweile, dass alle Änderungen nur auf seinen Wunsch vorgenommen worden seien. Alles sei von ihm persönlich angeordnet worden: "Ich würde niemandem erlauben, mir für meine Arbeit Anweisungen zu geben", sagte er. Die Vorwürfe, wonach die Studie vom Ministerium auch inhaltlich überarbeitet worden sei, stellen für Aslan eine "wissenschaftliche Diffamierung und persönliche Beleidigung" dar.

Integrationsminister Kurz pochte ebenfalls darauf, dass alles in der Studie "die Handschrift Aslans" trage. Wenn jemand glaube, nun die Problematik schönfärben zu können, halte er das für falsch, so der ÖVP-Obmann.

Die Universität Wien, an der Aslan als Professor für islamische Religionspädagogik angestellt ist, gab am Dienstagnachmittag bekannt, die Studie prüfen zu wollen. Die "Ombudsstelle zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis", die direkt an den Rektor berichtet, werde zeitnah untersuchen, inwieweit die wissenschaftlichen Regeln eingehalten wurden. Ein Zeitrahmen für Ergebnisse wurde nicht genannt.

Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) stellt sich hinter Kurz. "Für mich ist das leider wieder typisch österreichisch. Statt über die wahre Herausforderung, nämlich die Integration und Qualität in Kindergarteneinrichtungen, zu reden, wird jetzt an Details herumdiskutiert", sagte Stelzer am Donnerstag.

Die politische Konkurrenz reagierte wohl auch angesichts des Reizthemas Islam-Kindergärten eher verhalten, ließ aber bereits Kritik durchschimmern: "Wenn das auch nur im Ansatz stimmt, bin ich ehrlich bestürzt", meinte der für Kindergärten zuständige Wiener Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ). Grünen-Klubchef Albert Steinhauser meinte, es wäre absolut inakzeptabel, bei einem sensiblen Thema innenpolitisch motiviert Studien zu manipulieren und tendenziös zu ändern. Volle Aufklärung verlangte die Wiener Neos-Obfrau Beate Meinl-Reisinger. Es wäre aus ihrer Sicht jedenfalls in höchstem Maße verantwortungslose Politik, mit womöglich manipulierten Aussagen politisches Kleingeld zu schlagen.

Glaubensgemeinschaft verlangt Aufklärung

Am Donnerstag reagierte auch die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ). "Musliminnen und Muslime dürfen nicht zum Spielball politischer Interessen gemacht werden", heißt es in einer Aussendung am Mittwoch. Die IGGÖ fordert nun eine rasche und umfassende Aufklärung der Vorgänge rund um die umstrittene Studie. Laut IGGÖ handle es sich bei der Kindergartenstudie um eine vom Integrationsministerium bestellte Studie, "die gewissen politischen Interessen nutzbar gemacht werden sollte." Inhaltliche Änderungen seien vorgenommen worden, um "bestehende Ressentiments in Feindbilder" umzuwandeln.

Äußerst bedenklich nennt die Glaubensgemeinschaft das Verhalten des Wissenschafters Aslan und des Integrationsministeriums, das die "Rufschädigung einer ganzen Bevölkerungsgruppe anzettelt." Die IGGÖ begrüßt die wissenschaftliche Prüfung der Studie durch die Universität Wien. Weiters fordert die Glaubensgemeinschaft eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der frühkindlichen Bildung.

Stellungnahme von Kurz gefordert

Die Neue Bewegung für die Zukunft (NBZ), in Vorarlberg gegründete Migrantenpartei, fordert von Integrationsminister Sebastian Kurz eine Stellungnahme zu den Vorwürfen, Beamte seines Ministeriums hätten die Kindergarten-Studie manipuliert.

In einem offenen Brief an Kurz schreibt NBZ-Vorsitzender Adnan Dincer: " Da Sie diese Studie auch oft als Grundlage für ihre politische Agitation gegen islamische Kindergärten verwenden, lässt sich durchaus ihre Integrität sowie der Wahrheitsgehalt ihrer Äußerungen anzweifeln. In diesem Zusammenhang darf ich Sie selbst zitieren. "Wie so oft in der Politik kann man sich jede Studie schreiben lassen die man möchte, um die eigene Meinung zu untermauern." Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, müsse Kurz unverzüglich als Außen- und Integrationsminister zurücktreten. (APA, red, 5.7.2017)