Ob die Manipulationen im Auftrag von Kurz durchgeführt wurden, wollte Bürgermeister Michael Häupl nicht konkret beantworten: "Aber verantwortlich sind allemal die Chefs. Und er ist der Chef."

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Wien – Für Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) liegt die Verantwortung für die Änderungen der vieldiskutierten Kindergartenstudie bei Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP). Dieser müsse er sich auch stellen, forderte der Stadtchef am Mittwoch.

Laut einem am Dienstag veröffentlichten "Falter"-Artikel haben Beamte des Integrationsministeriums die vieldiskutierte Studie des Islamforschers Ednan Aslan derart bearbeitet, dass ein möglichst ungünstiges Bild der Islam-Kindergärten entsteht. Aslan und Kurz beteuerten daraufhin, dass sämtliche Änderungen nach Anleitung des Forschers durchgeführt worden seien.

Häupl zeigte sich am Mittwoch "entsetzt" darüber, "dass man mit solchen Methoden Wahlkampf macht". Es spiele letztlich gar keine Rolle, ob die Beamten des Ministeriums oder Studienautor Ednan Aslan "auf Druck der Beamten" die Vorstudie über die Islam-Kindergärten inhaltlich verändert hätten. Häupl: "Es stellt sich die Frage: Was hat der Herr Minister davon gewusst?" Die Frage, ob er glaube, dass die Manipulationen explizit im Auftrag von Kurz durchgeführt wurden, wollte der Bürgermeister und Wiener SPÖ-Chef nicht konkret beantworten: "Aber verantwortlich sind allemal die Chefs. Und er ist der Chef." Politische Konsequenzen für Kurz forderte Häupl nicht expressis verbis. Dass man allerdings eine Studie "fälscht – und ich nenne das jetzt bewusst so: fälscht" –, um die eigenen politischen Interessen durchzusetzen, sei "so ziemlich das Allerletzte". Er habe so etwas nicht für möglich gehalten.

"Vertrauen nicht grenzenlos"

Der Stadtchef kam auch auf die derzeit in Arbeit befindliche ausführliche Studie über Islam-Kindergärten zu sprechen, die Stadt und Ministerium Anfang 2016 gemeinsam in Auftrag gegeben haben. Sie soll im September vorliegen. Auch hier ist Aslan Teil des Wissenschafterteams. Ob er das nach den jetzigen Vorfällen bleibe? Häupl bejahte, denn es gebe Verträge. Allerdings: "Mein Vertrauen in den Professor Aslan und seinem äußerst wechselhaften Verhalten in den vergangenen Tagen ist nicht grenzenlos." Aber dank des Vertrauens in die Wissenschaftscommunity, die die Studie insgesamt betreue, geht der Bürgermeister davon aus, dass die Arbeit "wissenschaftlich redlich" sein werde.

Vorstudie bedeutungslos

Die abgeänderte Vorstudie habe für die Stadt nun jedenfalls keine Bedeutung mehr. Häupl betonte allerdings, dass man sich selbstverständlich den Problemen, die es im Kindergartenbereich gebe, stelle: "Wir wollen aber nicht hetzen, sondern faktenbasiert an Lösungen arbeiten." Und es seien keinesfalls nur islamische Kindergärten betroffen. "Per definitionem sehe ich islamische Kindergärten nicht als Problem. Aber es kann natürlich auch bei islamischen Kindergärten Problemkindergärten geben." Das bekräftigte auch Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ). Die Qualitätssicherung der 86.500 Wiener Kindergärtenplatze sei eine große Herausforderung: "Mein Auftrag ist es, dass jeder einzelne Kindergarten einwandfrei arbeitet." Insofern wolle er jedes schwarze Schaf finden.

Kanzler Kern will umfassende Analyse

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat sich am Mittwoch hinter Minister Kurz gestellt. Vor Journalisten zeigte sich der SPÖ-Vorsitzende überzeugt, dass der ÖVP-Obmann nicht persönlich in Manipulationen verwickelt sei. Kern plädierte aber dafür, die Details und Fakten zu analysieren. Diese geschehe nun ohnehin mit der Überprüfung durch die Universität.

Heftige Kritik an Kurz kam auch von den Wiener Grünen. "Studien für innenpolitische Machtspiele und Wahlkämpfe zu manipulieren und tendenziös umzuformulieren ist politisch letztklassig", urteilte Integrationssprecherin Faika El-Nagashi.

Wissenschaft sollte Grundlagen liefern, die es möglich machten einzuschätzen, was im Sinne politischer Lösungsfindung nötig und möglich sei. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) betreibe aber lieber "eine Politik der Angstmacherei und Wahlkampftaktik und entwertet die Wissenschaft. Und das auf dem Rücken von Kindern." Das sei völlig inakzeptabel.

"Tiefer geht es nicht mehr"

El-Nagashi betonte zugleich, dass "Extremismus jeglicher Art" von den Grünen keinesfalls toleriert werde – weder im öffentlichen Raum noch in Bildungseinrichtungen oder sonst wo. "Dort, wo es ihn gibt, gilt es hart durchzugreifen", stellte die Integrationssprecherin klar.

Die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou erwartet sich Konsequenzen für die Betroffenen – falls sich bestätigt, dass die Studie über Islam-Kindergärten nachträglich manipuliert beziehungsweise umgeschrieben worden sei. Dann wären mit parteipolitischem Kalkül Fake-News auf Steuerzahlerkosten fabriziert worden, befand sie am Dienstag: "Tiefer geht es nicht mehr."

Ex-Mitarbeiter gegen Aslan

Studienautor Aslan hat allerdings auch Ärger mit einem ehemaligem Mitarbeiter. Dieser wirft ihm via Facebook und im "Kurier"-Interview unwissenschaftliches Arbeiten vor. "Aslan und das Ministerium haben anscheinend eine gewisse Erwartungshaltung an diese Studie gehabt, also dass islamische Kindergärten Brutstätten des Terrorismus sind, und das sollte am Ende herauskommen", sagt der Politik- und Islamwissenschaftler Rami Ali zum "Kurier". Diesen Zugang von Aslan habe er bei anderen Projekten "selbst miterlebt, und deswegen glaube ich, dass das auch mit seinem Wissen geschehen ist". (APA, 5.7.2017)