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Im Netz wird heftig über die Randale und Polizeigewalt debattiert, doch dabei kommt es auch zu Fahndungsaufrufen gegen Unbescholtene

Foto: Reuters/Bensch

Die gewalttätigen Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg haben auch im Netz die Stimmung aufgeheizt: Die Randale wurden ebenso wie das Vorgehen der Polizei heftig debattiert. Jetzt hat sich allerdings ein gefährlicher Fall von Selbstjustiz gegen einen Unschuldigen entwickelt. Am Samstag gelangte ein Foto in Umlauf, das einen vermeintlichen Böllerwerfer zeigen soll. Er soll einen Polizisten verletzt und ihm "das Augenlicht" genommen haben. Das Bild des Mannes mit einem Aufruf zu seiner "Ergreifung" wurde auf Facebook von normalen Nutzern über hunderttausend Mal geteilt.

"NICHT tatverdächtig"

Die Polizei Hamburg dementierte am Samstag jedoch rasch, dass es sich bei dem Abgebildeten tatsächlich um den Böllerwerfer handle. Der Mann sei "NICHT tatverdächtig", schrieb die Hamburger Polizei auf Twitter.

Nutzer wurden aufgefordert, die Internet-Fahndung nach ihm zu beenden. Karolin Schwarz, Initiatorin der Hoaxmap, die falsche Gerüchte im Netz offenlegt, hat den Verlauf des inoffiziellen Fahndungsaufrufes auf Twitter dokumentiert.

So twitterte etwa auch die Hamburger Ausgabe der Bild-Zeitung ein unverpixeltes Foto des Mannes. Dazu schrieb das Blatt: "Randalierer wirft Böller auf Polizisten- Knalltrauma". Das wurde später zurückgenommen.

In sozialen Netzwerken gibt es inoffizielle Fahndungsaufrufe (Anonymisierung durch derstandard.at)
Foto: Screenshot

Zahlreiche Gewaltaufrufe

Auf Facebook und Twitter sind zahlreiche Gewaltaufrufe gegen den unschuldigen Mann zu finden. Derartige inoffizielle Aufrufe zu Fahndungen sind Behörden ein Dorn im Auge. In den vergangenen Jahren war es immer wieder zu Fällen von Selbstjustiz gekommen. Nach dem Mord an einer Elfjährigen im deutschen Emden hatte ein "wütender Mob von 50 Menschen" etwa vor einer Polizeistation die Herausgabe des vermeintlichen Täters gefordert – der Verdächtige war unbescholten, Gerüchte über seine Festnahme hatten sich auf Facebook verbreitet.

Erstmals bei Anschlag auf Boston-Marathon

Einer der ersten spektakulären Fälle von selbstständigen Onlinefahndungen fand nach dem Anschlag auf den Boston Marathon 2013 statt. Damals verbreiteten sich Theorien über mögliche Täter auf Reddit; zahlreiche Unschuldige gerieten ins Visier der Online-Detektive. Ein Problem dabei ist, dass Richtigstellungen oftmals nur einen Bruchteil der Shares erhalten, die der ursprüngliche Post erreichen konnte. (fsc, 9.7.2017)