Die Bohrplattform wird aufgebaut.

Foto: NHM Wien/Kowarik

Unser Arbeitsgebiet.

Foto: NHM Wien/Reschreiter

Arbeiten auf der Bohrplattform. Hier wird der Bohrkern nach oben gezogen.

Foto: NHM Wien/Reschreiter

Ein Bohrkern aus hundert Meter Wassertiefe wird in Augenschein genommen.

Foto: NHM Wien/Kowarik

An Bord wird der Bohrkern für den Transport ins Labor verpackt und beschriftet.

Foto: NHM Wien/Kowarik

Grün schimmernd und ruhig liegt der Hallstätter See vor uns. Wir hoffen, dass er so bleibt, denn die nächsten zwei Tage werden wir auf dem Wasser verbringen. Wir sind wieder einmal auf der Jagd nach Seeschlamm. Mit von der Partie sind Geologen von den Universitäten Innsbruck und Graz und wir Archäologen aus dem Naturhistorischen Museum Wien. Das Innsbrucker Team rund um Michael Strasser ist mit der schwimmenden Bohrplattform angereist. Diese haben wir schnell aufgebaut, und schon geht es los!

Neue Bohrungen – wozu?

Bohrungen im Bodensediment des Hallstätter Sees, warum schon wieder, mag man sich fragen. Geht den Forschern der Seeschlamm aus? Was gibt es dort noch zu finden? Tatsächlich haben wir bereits zweimal im Tiefenbereich des Sees gebohrt und Sedimentkerne von acht bis zu 16 Meter Länge entnommen. Diese Sedimente liefern sehr reichhaltige Informationen über klimatische, ökologische und kulturhistorische Prozesse in einem weiten Raum um den Hallstätter See. Momentan sind zwei Forschungsprojekte intensiv mit der Analyse der erbohrten Sedimente beschäftigt, das Facealps-Projekt (NHM Wien/ÖAW) und Stefan Lauterbachs Paläohochwasser-Projekt (FWF M-1907).

Eine komplizierte Angelegenheit

Hinter jeder Sedimentlage in unseren Bohrkernen stehen spezifische Prozesse, die zur Bildung dieser Schichten geführt haben. Hochwasser, Schneeschmelze und Erdrutsch, sie alle hinterlassen Spuren auf dem Seeboden. Ein Ziel unserer Projekte ist es, auf Grundlage der erbohrten Sedimentschichten auf derartige Ereignisse zurückzuschließen und eine Ereignisabfolge zu rekonstruieren. Aber die Analyse und Interpretation der Sedimente ist eine komplizierte Angelegenheit. Und so dicht die Datenlage im Bohrkern auch sein mag, mit einem Bohrkern-Durchmesser von sechs bis neun Zentimetern fassen wir nur einen winzigen Ausschnitt aus einem großen und hochkomplexen System. Wir müssen also unseren Blick erweitern. Und genau das ist das Ziel der aktuellen Bohrkampagne.

Den Seeboden lesen

Um nun die Informationen im Seeschlamm noch besser lesen zu können, benötigen wir neben botanischen, chemischen und geowissenschaftlichen Analysen zusätzliche Einblicke in den Seeboden. Zum einen müssen wir eruieren, wie sich die Sedimentschichten über den Seegrund verteilen. Zum anderen suchen wir Stellen, die besonders gut lesbar sind. Dabei handelt es sich um Stellen, von denen wir aus historischen Überlieferungen wissen, dass sie durch bestimmte Ereignisse wie Rutschungen oder Felsstürze beeinträchtigt wurden. Hier nehmen wir Bohrkerne. Später im Labor werden dann die Ablagerungsmuster analysiert. Diese können dann als Interpretationsmuster für Bohrkerne verwendet werden, die weiter in der Zeit zurückreichen, um prähistorische Ereignisse zu studieren.

Wie wird gebohrt?

Wir sind auf einer schwimmenden Bohrplattform unterwegs. Die Plattform wird von einem Boot an die vorher festgelegten Bohrlokationen gezogen. An der Bohrstelle angelangt, wird ein sogenanntes Schwerelot mit einem eingeschraubten Kernrohr aus PVC senkrecht von der Plattform bis auf den Seeboden heruntergelassen. Das Schwerelot mit dem PVC-Rohr ist an einem Seil befestigt und mit Gewichten beschwert. Die Gewichte sorgen dafür, dass es sich senkrecht absenkt und in den weichen Seeboden eindringt. Wenn das Rohr in das Sediment eingedrungen ist, wird das Schwerelot mittels einer Winde wieder nach oben gezogen. Über eine an der Oberkante des Kernrohrs angebrachte Dichtung entsteht beim Hochziehen des Schwerelots ein Vakuum, wodurch der Schlamm im Kernrohr angesaugt wird, bis wir knapp unterhalb der Wasseroberfläche mit einer Kappe das Rohr unten verschließen und den Seeschlamm so sicher im Kernrohr beproben und zurück ins Labor bringen können.

So weit die Theorie, aber natürlich kann in der Praxis vieles schiefgehen, vor allem bei Bohrungen in über 100 Meter Wassertiefe. Es kann vorkommen, dass das Kernrohr nicht in den Boden eindringt, weil man auf Geröll trifft oder eine leichte Brise im falschen Moment Boot und Plattform abdriften lässt, oder aber der Bohrkern reißt auf dem Weg nach oben ab, weil die Dichtung nicht vollkommen schließt, und fällt aus dem Kernrohr. So geschieht es dann auch bei uns, aber mit Schokolade und einem großartigen Team können diese Probleme überwunden werden.

Ab ins Labor

Die Kampagne vor Ort ist gut gelaufen. Nun reisen die Kollegen mit den Bohrkernen zurück nach Innsbruck. Dort beginnen dann die Arbeiten im Labor. Es gibt viel zu tun. Als Erster wird sich Thomas Berberich mit den Sedimenten befassen. Er schreibt seine Masterarbeit über die Sedimente des Hallstätter Sees. Doch bevor die Kerne aufgeschnitten und beprobt werden, werden sie mit einem neuen automatisierten Kernloggingsystem gescannt, um sedimentphysikalische Eigenschaften wie zum Beispiel die Dichte und die Ausbreitungsgeschwindigkeit von akustischen Wellen durch das Sediment zu messen. Solche Daten werden es uns erlauben, die Sedimentkerne mit geophysikalischen Daten des Seebodens in Verbindung zu bringen und Ereignislagen zwischen den Kernlokationen miteinander zu vergleichen. Letzteres werden wir auch anhand der – nach dem Öffnen und Reinigen der Kernprofilfläche – makro- und mikroskopischen Sedimentkerndokumentation, der Analyse von im Sediment enthaltenen Fossilien, sowie der mittels eines weiteren Sedimentkern-Scanners gemessenen chemischen Elementverteilung der Schichten genauer untersuchen.

Neue Perspektiven

Seesedimente sind ein unglaublich vielfältiges Umweltarchiv. In den Sedimentschichten stecken derart viele Informationen über vergangene Umweltbedingungen, dass diese innerhalb eines einzigen Projekts nicht mehr auswertbar sind. Auch der rasante Fortschritt in der Entwicklung der Analysemethoden eröffnet ein immer breiteres Feld an Erkenntnismöglichkeiten. Um diese voll ausschöpfen zu können, ist die Vernetzung unter den jeweiligen Expertinnen und Experten enorm wichtig. So sind wir auch sehr froh über den Besuch der Mikropaläontologin Claudia Wrozyna von der Universität Graz. Sie beschäftigt sich mit Ostrakoden (Muschelkrebsen), winzigen Krebstieren, die hauptsächlich am Seeboden leben – so auch im Hallstätter See. Diese kleinen Tierchen spielen eine wichtige Rolle in der Paläoklimaforschung und liefern wertvolle Informationen über die Entwicklung von Temperatur, Niederschlag und Wasserqualität. Wichtige Informationen für uns und viel Stoff für neue Projekte! Welchen Beitrag Ostrakoden im Detail im Bereich der Paläoklima- und Paläoökologieforschung liefern, werden wir in einem der nächsten Blogbeiträge beleuchten.

Allein geht es nicht!

Zum Abschluss möchten wir uns noch für die Unterstützung unser Forschungsarbeiten vor Ort ganz herzlich bedanken. Im Besonderen bei den Österreichischen Bundesforsten, der Freiwilligen Feuerwehr Hallstatt und der Gemeinde Hallstatt. (Kerstin Kowarik, Hans Reschreiter, 13.7.2017)