Die Wallfahrtskirche auf dem Hemmaberg.

Foto: ÖAI/M. Binder

Karte der Anlage auf dem Hemmaberg. Das aktuelle Grabungsareal befindet sich links des Weges zur Kirche.

Foto: ÖAI/M. Binder

Der harte Boden muss maschinell abgetragen werden, um die Gräber freilegen zu können.

Foto: Uni Wien/A. Öcsi

Studierende der Universität Wien bei der Freilegung einer Bestattung.

Foto: ÖAI/M. Binder

Der Grabungsschnitt im östlichen Friedhofsareal entlang des Weges.

Foto: ÖAI/M. Binder

Oberflächen-Scan eines "Turmschädels" aus Globasnitz.

Foto: ÖAI/Ch. Kurtze

Das Gipfelplateau des Hemmabergs im Kärntner Jauntal mit seiner Wallfahrtskirche aus dem 15. Jahrhundert ist nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel inmitten einer atemberaubenden Landschaft, sondern zudem – seit dem 4. Jh. n. Chr. – als christliche Pilgerstätte bekannt. Dies wurde erstmals 1906/1907 durch archäologische Grabungen belegt. Im Zuge dieser Grabungen wurden zwei frühchristliche Kirchen, ein achteckiges Baptisterium sowie umfangreiche Mosaiken archäologisch erfasst. Seit 1978 wurden in zahlreichen Grabungen auf dem Gipfelplateau des Hemmabergs unter der Leitung von Franz Glaser vom Landesmuseum Kärnten drei weitere frühchristliche Kirchen freigelegt und konserviert.

Bereits in den frühen 1980er-Jahren konnte ein Gräberfeld nahe des Plateaus untersucht werden. Es kann zeitlich ebenso wie die frühchristlichen Kirchen in die Spätantike (5.–6. Jh. n. Chr.) eingeordnet werden und fällt daher geschichtlich in die ereignisreiche Zeit nach dem Ende der römischen Herrschaft. In diesen unsicheren Zeiten vollzog sich ein tiefgreifender Wandel der Besiedlungsstrukturen. Die Menschen zogen sich vermehrt in befestigte Höhensiedlungen zurück. Aus Stein erbaute Gebäude belegen, dass es sich um andauernde Siedlungen und keine vorübergehenden Fluchtburgen handeln muss. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch auf dem Hemmaberg Spuren einer Wallbefestigung samt Toranlage vorhanden sind. Die steinernen Kirchenbauten sprechen für eine kontinuierliche Siedlungsgeschichte.

Wo eine Kirche, da ein Friedhof

Auf dem Friedhofsareal konnten zwischen 1981 und 1985 insgesamt 108 Gräber mit 120 Bestattungen dokumentiert werden, darunter drei Felsgräber samt marmornen Abdeckplatten, wovon eine als Treppenstufe am Eingangsportal der heutigen Wallfahrtskirche verbaut wurde. Ein Teil des Gräberfeldes befindet sich heute unter dem Besucherparkplatz, direkt am Wanderweg zum Gipfelplateau. Die Menschen wurden in spätantik-frühchristlicher Tradition bestattet, weshalb die Gräber nahezu beigabenlos sind. Nur die Frauen wurden teilweise noch mit Schmuck und Trachtzubehör bestattet. Die Gegenstände sind gemeinsam mit zahlreichen anderen Funden vom Hemmaberg im sehr sehenswerten Pilgermuseum in Globasnitz am Fuße des Berges zu sehen.

Neue Erkenntnisse im Gräberfeld

Aufbauend auf die vorangegangenen Forschungen finden seit Anfang Juli weitere archäologische Ausgrabungen im Rahmen des vom FWF geförderten ÖAI-Projekts "Lebensbedingungen am Übergang zwischen Spätantike und Frühmittelalter" statt. Unterstützt durch Studierende der Institute für Urgeschichte und Historische Archäologie sowie der Anthropologie widmet sich das vierwöchige Grabungsprojekt, das zusätzlich von der Gemeinde Globasnitz, dem Land Kärnten und der ÖAW finanziell unterstützt wird, vor allem der Erforschung der Ausdehnung des Friedhofs.

Aufgrund der bisher ergrabenen Flächen konnten wir bereits feststellen, dass der Friedhof im Westen definitiv endet. Im Gegenzug wurden im zweiten Grabungsschnitt östlich des bisher bekannten Areals entlang des heutigen Zufahrtswegs, der dem Verlauf des spätantiken Wegs entspricht, sehr schnell Gräber entdeckt. Diese befinden sich in direkter Nähe zum einstmals bestehenden Eingangstor zur Hügelbefestigung. Daher steht die Vermutung im Raum, es könnte sich bei jenen neu entdeckten Gräbern um die ältesten des Friedhofkomplexes handeln.

Wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche

Die neu aufgefundenen Gräber liegen nördlich des Wegs zum Plateau. Sie befinden sich lediglich wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche, was auf die fortschreitende Bodenerosion zurückzuführen ist. Höherliegende Bestattungen könnten bereits im Lauf der Jahrhunderte verschwunden sein. Grabgruben oder Begrenzungen lassen sich nicht erkennen. Dies erklärt auch, warum 2015 durchgeführte geophysikalische Messungen hier keine Ergebnisse erbrachten. Verstärkt durch Wurzeln, die besonders gerne auf und in Bestattungen wachsen, sowie die chemische Zusammensetzung des Bodens, sind die Knochen sehr schlecht erhalten, was das Ausgraben immer wieder zu einer Herausforderung macht.

In allen bisher gefundenen Gräbern wurden die Toten entsprechend christlicher Tradition in gestreckter Rückenlage von Ost nach West orientiert niedergelegt. Wie bereits bei früheren Grabungen beobachtet, sind auch diese Gräber größtenteils beigabenlos. Lediglich eine junge Frau wurde mit einer bronzenen Gewandnadel und einer Glasperlenkette bestattet.

Das große Ganze

Die aktuellen Forschungen auf dem Hemmaberg sind Teil einer systematischen Untersuchung aller menschlichen Überreste aus der Spätantike beziehungsweise dem Frühmittelalter in der Region. Besonders interessant ist es, das Gräberfeld auf dem Hemmaberg in Beziehung zum zeitgleich angelegten Gräberfeld im heutigen Globasnitz zu setzen.

Bestimmte Trachtbestandteile lassen eine Zuordnung zum Volk der Ostgoten, das sich im späten 5. Jahrhundert kurzzeitig in der Region angesiedelt haben dürfte, vermuten. Anschaulichstes kulturelles Merkmal sind einige intentionelle Deformationen des Schädel. Diese Praxis, bei der die Schädel im frühen Kindesalter durch feste Bandagen eingeschnürt wurden, um die charakteristischen Turmschädel zu erzeugen, stammt ursprünglich aus dem hunnischen Bereich und war unter einigen frühen völkerwanderungszeitlichen Gruppen verbreitet. Sie könnte eventuell auf einen bestimmten sozialen Status einzelner Personen innerhalb der Gruppe hindeuten.

Ausgrabung live vor Publikum

Mithilfe bioarchäologischer Methoden sollen Leben und Sterben in Spätantike und Frühmittelalter anhand der beiden Friedhöfe rekonstruiert werden. Aus den Knochen lässt sich Wissenswertes über die Lebensbedingungen auf dem Hemmaberg – wie Ernährung, Gesund- und Krankheit, das Auftreten von Gewalt, körperliche Aktivität, aber auch Migration und Mobilität – herausfinden. Grundlage für dieses Projekt ist eine Kombination aus Archäologie und naturwissenschaftlichen Methoden. Dies beginnt bereits bei der Zusammenarbeit von Archäologinnen, Archäologen, Anthropologinnen und Anthropologen auf der Grabung. Die Forscherinnen und Forscher erhoffen sich durch diese wissenschaftliche Interdisziplinarität und Vielfalt der Methoden zahlreiche neue Erkenntnisse.

Wer sich selbst ein Bild von den derzeitigen Grabungsarbeiten machen will, ist herzlichst eingeladen, uns jeweils freitags von 13 bis 15 Uhr auf der Grabung zu besuchen. Zudem finden im Juli donnerstags um 19 Uhr öffentliche Vorträge im Pilgermuseum in Globasnitz statt, auch dort ist das Projekt Thema. (Michaela Binder, Maria Hackl, Tanja Jachs, Thomas Loitfelder, David Wieser, 20.7.2017)