Nach der Geburt eines Kindes warten viele Entscheidungen auf die Eltern.

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Aachen/Wien – Die Frage, wer wann und wie lange nach der Geburt eines Kindes zu Hause bleibt, stellt sich wohl jede Familie. In der Vergangenheit waren es traditionellerweise die Mütter, die diese Rolle übernahmen. Langsam, aber stetig beschließen auch immer mehr Väter, den Arbeitsalltag gegen Kinderbetreuung zu tauschen. Wie es dabei zur Entscheidungsfindung kommt, analysierten drei Forscherinnen vom Institut für Psychologie der RTWH Aachen.

Die Ergebnisse, die im Mai im "Journal of Vocational Behavior" veröffentlicht wurden, basieren auf zwei Studien. Dabei zeigte sich, dass Menschen in ihren Entscheidungen von den Einstellungen ihrer jeweiligen PartnerInnen beeinflusst werden, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Dazu Anna M. Stertz, Hauptautorin der Gesamtstudie: "Unsere Analysen zeigen, wie sehr diese Entscheidungen von Paardynamiken beeinflusst werden."

Frauen nehmen Rücksicht

Die Forscherinnen haben aufgrund verbreiteter sozialer Geschlechternormen die Hypothese aufgestellt, dass Frauen in ihren Entscheidungen zu Familie und Beruf mehr Rücksicht auf die Einstellungen und Wünsche ihrer Partner nehmen als umgekehrt. Um diese Annahme zu überprüfen, wurde zunächst die Einstellung zu Geschlechterrollen von 138 heterosexuellen Paaren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erfasst. Die Frauen erwarteten alle ein Kind und waren entweder angestellt oder selbstständig berufstätig. Abgefragt wurden die Einstellungen mittels einer Skala zur Mutter-Kind-Ideologie.

Männer denken traditioneller

Die TeilnehmerInnen sollten angeben, wie sehr sie Aussagen wie "Frauen, die sich ihrem Job stark widmen, können nicht gleichzeitig gute Mütter sein" zustimmen. Die befragten Männer neigten dabei zu einem etwas traditionelleren Rollenverständnis als die Frauen. Danach wurden die geplanten Karenzzeiten und eventuelle Veränderungen in der Anzahl an Arbeitsstunden abgefragt. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die Einstellungen der Väter zu Geschlechterrollen die Entscheidungen der Mütter beeinflussten, unabhängig davon, ob die Frauen selbst ähnliche oder andere Ansichten hatten.

Um den Einfluss der Einstellungen auf die Entscheidungen zu Karenz- und Arbeitszeiten isoliert messen zu können und andere Einflüsse auszuschließen, führten die Forscherinnen einige Kontrollvariablen ein. Darunter waren neben Unterschieden in den gesetzlichen Karenzansprüchen nach Ländern auch der Bildungsgrad der TeilnehmerInnen und das Haushaltseinkommen der Paare, da gerade finanzielle Faktoren eine große Rolle bei Berufsentscheidungen von Vätern und Müttern spielen.

Väter beeinflussen Mütter

Väter, die eher gleichberechtigt eingestellt waren, reduzierten ihre Arbeitszeit nach der Geburt der Kinder mehr als Männer mit traditionelleren Einstellungen. Mütter, deren Partner eine gleichberechtigtere Einstellung zu Geschlechterrollen vertraten, gingen kürzer in Karenz und reduzierten ihre Arbeitszeit nach Wiedereintritt weniger stark. Es zeigte sich, dass zwar das Verständnis der Geschlechterrollen der befragten Männer einen Einfluss auf ihre Partnerinnen hatte, vice versa jedoch nicht.

Mutter Teilzeit, Vater Vollzeit

In einer zweiten Studie mit ähnlichem Aufbau wurden 168 heterosexuelle Paare befragt, die bereits ein Kind hatten. Die Mütter waren alle in Karenz, standen jedoch kurz vor ihrem Wiedereinstieg ins Berufsleben. Bei ihrem Wiedereintritt arbeiteten die befragten Mütter meistens Teilzeit, und damit in knapp 85 Prozent der Fälle weniger als vor der Karenz.

Die Männer arbeiteten hingegen großteils Vollzeit. Etwa 31 Prozent der befragten Väter reduzierten jedoch ihre Stundenzahl nach dem Ende der mütterlichen Karenz, knapp 38 Prozent erhöhten sie. Vorangegangene Studien suggerieren, dass Männer, die Elternzeit beanspruchen, oft mit Hindernissen konfrontiert sind, mit Einschnitten in ihre Karriere rechnen müssen und womöglich riskieren, als weniger maskulin wahrgenommen zu werden. Das könnte den Forscherinnen zufolge ein Grund dafür sein, dass sich viele Männer für eine traditionellere Aufteilung bei Arbeit und Kindererziehung entscheiden, selbst wenn ihnen Gleichberechtigung wichtig ist.

Partner als Orientierungshilfe

Wie zu Beginn angenommen zeigte sich, dass die Entscheidungen von Eltern zu Karenz und Arbeitszeiten nach der Geburt eines Kindes in Abhängigkeit zum jeweils anderen getroffen werden. Jedoch nehmen Mütter in ihrer Entscheidungsfindung mehr Rücksicht auf ihre Partner als umgekehrt. "Man kann allerdings nicht sagen, dass die Einstellungen der Frauen völlig unbedeutend sind" – aber jene der Partner hätten einen größeren Einfluss auf die Frauen, erklärt Stertz.

Die Forscherinnen sehen die Tatsache, dass sich der Alltag für Frauen nach der Geburt eines Kindes grundlegender verändere als für ihre Partner, als mögliche Erklärung. Die Forscherinnen zitieren aus einer Studie aus 2003, der zufolge sich Mütter nach einer Geburt oftmals unvorbereitet und überwältigt fühlten. In dieser Phase großer Unsicherheit stelle es für manche Frauen eventuell eine Erleichterung dar, wenn sie sich an den Entscheidungen ihres Partners orientieren können.

Männer immer noch "Ernährer"

Aus der Forschung geht hervor, dass Männer in den verschiedensten Kulturen nach wie vor als Ernährer einer Familie betrachtet werden und es sich dabei um eine besonders hartnäckige Bastion der "Männlichkeit" handelt. Das könnte eine mögliche Erklärung dafür sein, dass sich die befragten Männer nicht durch ihre Frauen haben beeinflussen lassen. (Julia Sahlender, 23.7.2017)