Die Cheetahs aus Bloemfontein, Hauptstadt der südafrikanischen Provinz Vrystaat, jagen ihre Gegner ab September in nördlichen Gefilden.

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Christopher Colette von den Southern Kings scort im Match gegen die Queensland Reds.

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Wien/Dublin – Die Pro12 ist nicht mehr, es lebe die Pro14! Jeden Tag wird die offizielle Bestätigung von Celtic Rugby erwartet, dem Organisator jener zwölf Rugbyteams aus Wales, Irland, Schottland und Italien umfassenden Profiliga, für die Saison 2017/18 zwei weitere Mannschaften aufzunehmen. Bei den neuen Mitbewerbern wird es sich um die Cheetahs und die Southern Kings handeln – sie kommen, man hätte es sich sicher gleich denken können, aus Südafrika.

Diesem ungewöhnlichen, ja, im wahrsten Sinn des Wortes großen Schritt ging der Ausschluss von Cheetahs und Kings aus ihrem eigenen Interkonti-Bewerb voraus, dem Super Rugby mit Teilnehmern aus Neuseeland, Südafrika, Australien, Argentinien und Japan. Dieser nämlich wird im kommenden Jahr von 18 auf 15 Teams eingedampft. Die Motivation dafür ist letztlich ökonomisch begründet, fallende Zuschauerzahlen angesichts eines aufgeblähten Formats mit zu vielen einseitigen Matches drohen sich in den Verlust barer Münze umzusetzen.

Eine Frage des Geldes

Die Pro12 (bisher je vier Teams aus Wales und Irland, je zwei aus Schottland und Italien) hingegen beschreitet den umgekehrten Weg. Auch in diesem Fall geht es um Geld. Die Organisatoren befürchten, ohne Impulse von außen immer weiter hinter die weit profitablere Konkurrenz aus englischer Premiership und französischer Top14 zurückzufallen. Um gegenzusteuern, werden Unwägbarkeiten sehr bewusst hingenommen. Das größte Risiko für die Liga wäre es, nichts zu tun, wird Philip Brown, Chef des irischen Rugby-Verbandes, zitiert. Seine Kollegen sehen das ähnlich. Schließlich dürfte es angesichts deutlich attraktiverer Verdienstmöglichkeiten anderswo in Zukunft immer schwieriger werden, die besten Spieler der Teilnehmernationen – wie bisher praktiziert – an die eigenen Teams zu binden.

Mit der Aufnahme der Cheetahs aus Bloemfontein sowie der Kings aus Port Elizabeth werden neue Märkte erschlossen, die Zahl von sechs Millionen Pfund (etwa 6,7 Millionen Euro) jährlicher Einnahmensteigerung steht im Raum. Diese Summe mag vergleichsweise niedrig erscheinen, doch das relativiert sich angesichts von zwölf Millionen Pfund (13,4 Millionen Euro) Ertrag, die derzeit insgesamt von der Pro12 erwirtschaftet werden. Den Verantwortlichen jedenfalls erscheint sie lohnend genug, um sich den Herausforderungen hinsichtlich Logistik und Organisation zu stellen, die auf alle Beteiligten zukommen.

Südliche Perspektiven

Der Blickwinkel der südafrikanischen Newcomer selbst ist diesbezüglich ohnehin ein ganz anderer. Sie erwarten sich von ihrem nördlichen Abenteuer im Gegenteil Erleichterungen in jeder Hinsicht. Zum Beispiel was die Reisestrapazen betrifft. Derzeit pendeln Cheetahs und Kings zwischen Japan, Neuseeland, Australien und Argentinien, legen dabei tausende Kilometer zurück und müssen den Beschwernissen unterschiedlicher Zeitzonen trotzen. Auch für die interessierte Öffentlichkeit, die mitunter zu nachtschlafender Zeit vor dem TV hängend Auswärtspartien ihrer Lieblinge verfolgen muss, erweist sich der Status quo als suboptimal. Cheetahs-Boss Harold Verster sprach von einer "wunderbaren Chance" für seine Franchise. Alles werde am Ende sehr vorteilhaft ausfallen. Die Spieler dürften das aufgrund attraktiver Karriere- und Verdienstmöglichkeiten ähnlich sehen.

Die Hinwendung an Europa, das von vielen hinsichtlich des sportlichen Niveaus immer noch nicht ganz auf Augenhöhe gesehen wird, wird in südafrikanischen Rugby-Zirkeln also eher entspannt debattiert. Dass der heimische Verband SARU jedoch neben dem Hinausschmiss eines australischen Teams aus der Super-Rugby-Serie auch dem Aus für zwei eigene zugestimmt hat, wird durchaus kritisch gesehen. Denn obwohl Cheetahs und Kings sich in den letzten Jahren verlässlich im unteren bis ganz unteren Drittel der Tabelle wiederfanden – dass sich gerade über sie der Daumen senkte, ist, was sportliche Meriten betrifft, kaum zu argumentieren.

Am Ende der Regular Season 2016/17 standen fünf andere Franchises schlechter da, darunter gleich drei australische. Die argentinischen Jaguares und die japanischen Sunwolves, Letztere in der Regel debakulös auftretend, gelten aufgrund strategischer und sportpolitischer Überlegungen als unangreifbar. All das gab gutes Material für hitzige Debatten. Im Land am Kap wird spekuliert, dass, gute Erfahrungen der Vorhut vorausgesetzt, sich in Zukunft auch die stärksten südafrikanischen Teams europäischen Bewerben anschließen könnten. Für Super Rugby, trotz unübersehbarer Krisenzeichen vermutlich immer noch der weltweit am stärksten einzuschätzende Rugby-Bewerb, würde das den Todesstoß bedeuten.

Scheitern ist keine Option

Hinsichtlich der Aussichten für die neue Pro14 bleibt die Frage, warum hier funktionieren soll, was anderswo gerade scheitert: die Expansion eines Bewerbs, welche nicht in erster Linie auf sportlicher Ratio gegründet ist. Bisher lebte die Liga vor allem von lokalen Rivalitäten und den Derbys. Es stellt sich die Frage, wo die Südafrikaner hier ihren Platz finden sollen.

Bereits die Aufnahme zweier italienischer Teilnehmer in die alte Celtic League 2010 erwies sich rückblickend nicht unbedingt als Erfolgsgeschichte. Die Italiener sind bis heute nicht wirklich konkurrenzfähig und auf die beiden letzten Plätze in der Hackordnung quasi abonniert. Zwei weitere Mitläufer kann niemand gebrauchen. Daher wird sich die SARU verpflichten müssen, für entsprechechende Qualität in den Kadern ihrer Vertreter Sorge zu tragen.

Während in Südafrika Erleichterung über die Rettung von Cheetahs und Kings vorherrscht, ist die Gefühlslage in Britannien deutlich zurückhaltender. Viele Fans sind zudem vom Tempo der Veränderung, die innerhalb weniger Wochen durchgewunken wird, überrascht. Doch allen Zweifeln zum Trotz: Die neue Liga ist zum Erfolg verdammt. Andernfalls könnte diese Reform die letzte Chance gewesen sein, ihre Zukunft zu sichern. Und mit ihr möglicherweise auch jene der Rugbykulturen der kleineren europäischen Nationen, wie man sie bisher kannte. (Michael Robausch, 26.7.2017)