Während sich Georgien als die reformorientierte Musterdemokratie im Kaukasus präsentiert und lieber heute als morgen der EU beitreten würde, leistet sich dessen Kulturministerium in Stalins Heimatstadt Gori ein Museum mit bizarrem Personenkult um den Tyrannen, dessen Politik mehreren Millionen Menschen das Leben kostete.

Die Ausstellung des 1957 eingeweihten Museums wurde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vorerst geschlossen, einige Jahre später aber unverändert wiedereröffnet. Ergebnis langjähriger Diskussion um eine Reform der Ausstellung ist lediglich ein Kämmerchen im Untergeschoß der Ausstellung, in der ein Schreibtisch mit einigen Zetteln ausgestellt ist, der ganz allgemein die Repression unter Stalin symbolisieren soll. Weder auf Russisch oder Georgisch wird hier thematisiert, wie viele Menschen den stalinistischen Säuberungen zum Opfer fielen, erschossen oder in die Gulags geschickt wurden. Weder die genozidalen Deportationen der Inguschen, Tschetschenen oder Krimtataren, noch die Opfer der durch Stalins Wirtschaftspolitik schlicht verhungerten Sowjetbürger werden thematisiert.

Pro forma wird im Untergeschoß in einem kleinen Kämmerchen auch auf die Opfer Stalins hingewiesen.
Foto: Thomas Schmidinger

Ein Gitter im Hinterzimmer soll wohl eine Zelle symbolisieren. An der Wand hängen allerdings keine Bilder aus den Gulags, sondern von den Kämpfen zwischen Russland und Georgien im Jahr 2008, als die Kämpfe um Südossetien auch in der Region Gori ausgetragen wurden. Georgier werden hier als Opfer präsentiert, nicht als Täter.

Geschenke an Stalin aus aller Welt.
Foto: Thomas Schmidinger

Die eigentliche Ausstellung in mehreren Sälen im Obergeschoß stellt Stalin weiterhin völlig ungetrübt als größten Sohn der Stadt dar. Sein ebenfalls georgischer oberster Schlächter, Lawrenti Beria, der in der schlimmsten Zeit des Terrors von 1938 bis 1953 Chef des NKWD war, kommt in der Ausstellung nicht vor. Der Held der Ausstellung ist Stalin und Stalin allein: Bilder seiner Jugend, seiner Lehrer oder seiner Schule, der junge Stalin, Stalin mit Lenin und dann Stalin in Uniform, wie ihn die sowjetische Propaganda in den Jahren seiner Alleinherrschaft von 1927 bis 1953 darstellte.

In dieser Pose ist der 1878 unter dem georgischen Namen Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili geborene Partei- und Regierungschef in verschiedensten Ausführungen als Wandteppich, Ölmalerei oder Fotografie zu bewundern, ehe er als siegreicher Feldherr des "Großen Vaterländischen Krieges", in Szene gesetzt wird. Hier fehlt selbstverständlich jeder Hinweis auf den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 und die Überraschung Stalins, dass ihn Hitler dann 1941 doch noch angriff.

Brüchige Propaganda

Am ehesten lässt sich so etwas wie Ambivalenz in dieser Propagandaschau vielleicht noch in jener Ecke finden, in der es um Stalins Sohn Jakow geht, der im Juli 1941 in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet und den sich Stalin im Jänner 1943 weigerte gegen Generalfeldmarschall Paulus auszutauschen. Ein Foto zeigt den Sohn Stalins im Elektrozaun des Konzentrationslagers Sachsenhausen, wo er entweder durch einen Stromschlag oder eine Kugel des KZ-Wachpersonals am 14. April 1943 zu Tode kam.

Es gibt Debatten darum, ob es sich um einen durch Haftpsychose bedingten Selbstmord handelte. Zu dieser Theorie trägt nicht nur der Verstoß durch den Vater bei, sondern auch Stalins eigene Aussagen, dass es sich bei Hilters russische Gefangene nur um "Verräter" handle, die man ohnehin "erledigen" werde, sobald der Krieg vorbei sei. Dies wird im Museum natürlicherweise ausgeklammert.

Stalins Sohn Jakow Iossifowitsch Dschugaschwili, der im KZ Sachsenhausen ums Leben kam.
Foto: Thomas Schmidinger

Ein sakraler Raum mit einer Totenmaske Stalins und Bildern von dessen Begräbnis und eine Ansammlung diverser Staatsgeschenke von Keramikvasen mit Stalins Bildnis bis zu einem kleinen Panzer in Gold, runden die Schau ab.

Stalins Totenmaske im Museum.
Foto: Thomas Schmidinger

Stalin-T-Shirt oder Schnapsflasche zum Mitnehmen

Wer bei so viel brachialer Propaganda immer noch an der Ernsthaftigkeit des Stalin-Museums zweifelt, sollte einen Blick in den Museumsshop werfen. Hier werden T-Shirts, Teetassen oder Schnapsflaschen mit Stalin-Konterfei feilgeboten. Bücher oder ähnliches, die die wahren Ausmaße der Stalin-Diktatur beschreiben sind hier Fehlanzeige.

Souvenirs für den Stalinisten von heute im Museumsshop.
Foto: Thomas Schmidinger

Auf Nachfragen distanziert sich die deutschsprachige Mitarbeiterin des Museums halbherzig von der Ausstellung. Sie habe eben keinen anderen Job in Gori gefunden und wäre auch nicht so begeistert von Stalin. Die Thematisierung seiner Verbrechen wäre etwas dürftig, gesteht sie. Das wäre auch schwierig, denn es kämen ja nicht primär die Stalin-Kritiker hierher, sondern vor allem die Stalin-Fans. Dennoch meint sie, habe Stalin diese autonomen Republiken Abchasien und Süd-Ossetien geschaffen und damit eigentlich erst das heutige Problem für Georgien verursacht. Halten jene, die den "großen Sohn" der Stadt also kritisch sehen, ihm also vor allem vor, dem georgischen Nationalismus geschadet zu haben? (Thomas Schmidinger, 22.8.2017)