Autor Andreas Lukoschik hat in den letzten 15 Jahren zwei Dutzend Fahrten auf den sieben Weltmeeren unternommen und dabei viel von der Welt gesehen. Was er auf den Schiffen beobachtet, verarbeitet in seinen Kreuzfahrt-ABCs.

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Kreuzfahren bedeutet: jeden Tag eine neue Hafenstadt vor dem Kabinenfenster vorbeigezogen zu bekommen und den Menschen vom Balkon aus beim Leben zuschauen.

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STANDARD: Sie sammeln skurrile Geschichten von Kreuzfahrten, scheinen diese Art des Reisens auch zu mögen. Wie oft sind Sie unterwegs?

Lukoschik: Ich habe in den letzten 15 Jahren zwei Dutzend Fahrten auf den sieben Weltmeeren machen dürfen und dabei sehr viel von der Welt gesehen – vom Nordkap bis zur Antarktis und von der Südsee in alle Himmelsrichtungen einmal um den Globus herum. Trotzdem gibt es viele Länder, die ich noch nicht mit dem Schiff besucht habe.

STANDARD: Welche Länder "fehlen" Ihnen denn noch?

Lukoschik: Japan zum Beispiel oder Alaska. Und Indonesien! Auf unsere nächste Reise, eine Fahrt zu den kleinen Inseln rund um Bali, freut sich schon die ganze Familie. Wir werden diese Tage auf dem wundervollen Viermastsegler Starclipper verbringen. Das Schiff ist mit nichts zu vergleichen. Unter einem Dom aus knarzendem Segeltuch zu sitzen und über die Weite des Meeres zu gleiten ist grandios.

STANDARD: Spielt es für Sie eine Rolle, welches Schiff es ist und welche Häfen angesteuert werden?

Lukoschik: Natürlich. Sonst würde ich auf Schiffen fahren, die ein Unterhaltungsangebot haben, das eine Mischung aus Las Vegas und dem Broadway ist. Die Allure of the Seas ist so eins, es hat Platz für 5000 Passagiere. Aber ich bin eher der Typ für kleinere Schiffe. Ich liebe es, wenn mir jeden Tag eine neue Hafenstadt vors Kabinenfenster gezogen wird und ich den Menschen vom Balkon aus beim Leben zuschaue.

STANDARD: Ihnen wird nie langweilig beim Zuschauen?

Lukoschik: Im Gegenteil. Nach vier, fünf Monaten an Land zieht es mich wie magisch hinaus aufs Meer. Man muss das Sonnenlicht und das Spiel der Wolken einmal erlebt haben, dann versteht man diese Sehnsucht besser. Hinzu kommt das Wissen, dass unter der sichtbaren Oberfläche eine wundervolle eigene Welt existiert – sozusagen ein zweiter Planet auf unserer Erde.

STANDARD: Buffets auf Kreuzfahrtschiffen sind auch eine ganz eigene Welt. Was beobachten Sie dort?

Lukoschik: Noch nie hat man gehört, dass jemand auf einem Kreuzfahrtschiff verhungert sei. Deshalb braucht sich niemand am Buffet seinen Teller so vollzuladen, als gäbe es bis zum nächsten Hafen nichts mehr zu essen. Warum kann man nicht zwei- oder dreimal hintereinander gehen? Das dient der Figur und sorgt dafür, dass man unfallfrei an seinem Tisch ankommt. Passagieren, die gleich zwei vollbeladene Teller für sich jonglieren, sollte der Gästestatus aberkannt werden. Im Wiederholungsfall erscheint es angebracht, ihnen das Kielholen in Aussicht zu stellen.

STANDARD: Das klingt recht unversöhnlich. Streiten Sie manchmal mit anderen Passagieren?

Lukoschik: Wer es mag, findet immer Anlässe für einen Streit. An Land wie an Bord. Aber grundsätzlich entscheidet jeder Mensch selbst, von wem er sich ärgern lässt. Deshalb betrachte ich solche Exemplare als das, was sie sind: interessante Objekte, die viel Anlass für Heiterkeit bieten.

STANDARD: Haben Sie auf einem Kreuzfahrtschiff einmal interessante Subjekte kennengelernt?

Lukoschik: Nicht auf, sondern neben einem Schiff. Genauer gesagt neben der Queen Mary. Da ließ uns bei einer Atlantiküberquerung eines Morgens der Commodore wissen, dass dieser 345 Meter lange und 72 Meter hohe Koloss einen Umweg fuhr, um einem Ruderboot zu helfen. Darin meinte eine Kanadierin als Erste den Atlantik überqueren zu müssen. Bei einem Sturm waren ihr das Satellitentelefon und der Schleppanker abhandengekommen, weshalb sie um Hilfe gerufen hatte. Die Queen Mary sorgte für Ersatz. Mary Paquette – so der Name der Sportlerin – ruderte danach die 5000 Kilometer weiter.

STANDARD: Eine Geschichte, die man sich gerne beim Captain's Dinner erzählt. Was sollte man einen Kapitän dabei auf keinen Fall fragen?

Lukoschik: Der Erste Mann an Bord lebt dort für viele Wochen, da ist es nur recht und billig, wenn das Captain's Dinner nicht zum Arbeitsessen wird, sondern der Mann sich gut unterhält. Deswegen halte ich nichts von Fragen und Antworten, sondern von Unterhaltungen. Kapitäne sind oft sehr gebildete Zeitgenossen, einem wie Mark Behrend von der MS Europa höre ich lieber zu. Und es gibt drei No-Gos bei den Gesprächsthemen: keine Politik, keine Religion und – wenn man es schafft – keine Fragen zum Schiff.

STANDARD: Eine Frage an Sie zu den Schiffen, die immer größer werden: Wie sollten diese in Zukunft aussehen?

Lukoschik: Eine gepflegte Bar auf dem Achterdeck – ohne Tanzfläche – darf nicht fehlen. Außerdem sollte ein Promenadendeck an Bord sein, also ein Deck, auf dem man einmal um das ganze Schiff promenieren kann. Das sorgt für Auslauf und frische Luft, beugt eventuellem Schiffskoller vor. Und, ganz wichtig: Es dürfte definitiv nicht mit Schweröl fahren wie die Schiffe heute, sondern mit Diesel und einer massiven Abgasfilteranlage. (Sascha Aumüller, RONDO, 2.8.2017)

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