Die Leber ist ein stilles Organ, das lange keine Schmerzen verursacht. Deshalb wird eine Hepatitis-Erkrankung häufig erst spät bemerkt.

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Hepatitis B könnte leicht der Vergangenheit angehören: "Wenn sich die Menschen impfen lassen", sagt Hepatologe Andreas Maieron.

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STANDARD: Seit Hepatitis C durch antivirale Medikamente heilbar ist, bestimmt sie die Berichterstattung über Hepatitis. Besteht dadurch die Gefahr, dass etwa die chronische Hepatitis B in ihrer Gefährlichkeit unterschätzt wird?

Andreas Maieron: Der Hype um die Hepatitis C rührt sicher daher, weil sie geheilt werden kann. Dennoch ist es ganz wesentlich, dass die Hepatitis B nicht außer Acht gelassen wird. Glücklicherweise gibt es hier seit acht Jahren ein Impfprogramm, das einen effektiven Schutz bietet. Auch über die Reisemedizin ist der Trend zu beobachten, dass sich Menschen einem Screening unterziehen. Zudem wird jede schwangere Frau im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchung auf Hepatitis B getestet. So gesehen ist bei der Hepatitis B das System weniger lückenhaft als bei der Hepatitis C.

STANDARD: Trotzdem bestehen unter der erwachsenen Bevölkerung große Impflücken.

Maieron: Absolut, das ist furchtbar. Was mir sehr leid tut: Die Impfung ist für Erwachsene im österreichischen Impfplan nicht vorgesehen. Hier muss die Prävention noch wesentlich vorangetrieben werden. Zudem ist die Impfung sehr sicher. Mir persönlich ist bis heute kein Fall bekannt, bei dem es zu einem Impfschaden gekommen ist.

STANDARD: Die Hepatitis A gilt gemeinhin als relativ harmlose Erkrankung. In seltenen Fällen verläuft eine Infektion dennoch tödlich. Was ist der Grund dafür?

Maieron: Zum Glück ist Hepatitis A zumeist eine selbstlimitierende Erkrankung, die ohne therapeutische Maßnahmen wieder ausheilt. Der Krankheitsverlauf ist trotzdem schwer und die Patienten leiden unter Symptomen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Muskel- bzw. Gelenkschmerzen und leichtem Fieber. Etwa 0,1 Prozent der Betroffenen entwickeln eine sogenannte fulminante Hepatitis, die tödlich sein kann. Möglicherweise spielt hier eine vorgeschädigte Leber und/oder ein genetischer Faktor ein Rolle, der zu diesem fulminanten Verlauf führt.

STANDARD: Die Leber ist ein stilles Organ. Hepatitis-Erkrankte spüren deshalb lange keine Schmerzen und es dauert häufig sehr lange bis die Diagnose gestellt wird. Ist das der Grund für relativ hohe Dunkelziffern?

Maieron: Ja, deshalb kennen wir auch nicht alle Patienten. Eine Möglichkeit wäre, im Rahmen der Gesundenuntersuchung für Risikogruppen und jeden, der erhöhte Leberwerte hat, ein Screening anzubieten. Zudem müssen die noch immer vorhandenen Vorurteile gegenüber Hepatitis-Erkrankten abgebaut werden. Denn sie führen dazu, dass sich manche Betroffene nicht therapieren lassen wollen, sich verstecken und ihre Erkrankung geheim halten.

STANDARD: Ist es möglich, dass die Leberwerte trotz chronischer Hepatitis B nicht erhöht sind?

Maieron: Ja, das gibt es, kommt aber relativ selten vor. Ich erlebe es etwa drei-, viermal im Jahr, dass jemand mit einer weit fortgeschrittenen Lebererkrankung zu mir kommt, die durch eine unerkannte chronische Hepatitis-B-Infektion hervorgerufen wurde. Deshalb sollte es immer darum gehen, das Screening möglichst engmaschig zu gestalten.

STANDARD: Warum kann die chronische Hepatitis B bis heute nicht medikamentös geheilt werden?

Maieron: Dieses Virus ist viel schwieriger zu behandeln, da es sich in den Zellkern der Leberzelle intergiert. Es gibt Ansätze, diesen Virusteil im Leberzellkern zu eliminieren. Es dauert aber sicher noch einige Jahre bis die chronische Hepatitis B tatsächlich geheilt werden kann. Bei der Hepatitis C benötigte die Forschung auch rund 25 Jahre.

STANDARD: Die WHO hat zum Ziel gesteckt, bis zum Jahr 2030 Hepatitis B und C zu eliminieren. Ist dieses Ziel realistisch?

Maieron: Wenn die Leute geimpft werden, gibt es keine Hepatitis B mehr. So einfach wäre das. Was die Hepatitis C betrifft, so müssen konsequent die Risikogruppen erfasst und untersucht werden. Bei einer Prävalenz von 0,3 Prozent macht es aber keinen Sinn ein flächendeckendes Screening durchzuführen. (Günther Brandstetter, 28.7.2016)